HSV-Legende Kargus wird 70: Sein neues Leben ist „ein Geschenk“
Das Eckige im Leben von Rudi Kargus war lange Zeit das Fußballtor. Mit dem Hamburger SV gewann der damalige Torwart Titel und Anerkennung, war in seiner Zeit einer der Besten. Doch mit dem Fußball hat er abgeschlossen. Längst ist Kunst die Leidenschaft von Rudi Kargus: Hier will er ernst genommen werden. Das Klischee vom exotischen Ex-Sportler mit Pinsel kann er nicht mehr hören.
Mehr als 30 Jahre nach dem Ende seiner Bundesliga-Laufbahn hat Rudi Kargus mit der Malerei längst eine andere Leidenschaft gefunden. Das Eckige, wenn man so will, ist nun die Leinwand im Atelier. Über seine Profikarriere redet er nur ungern: Er habe sich entwickelt. Wie passend – „Ich ist ein anderer“ heißt seine aktuelle Ausstellung im Kunsthaus Stade. Und doch: Die Fußballjahre schimmern stellenweise wie ein übermaltes Bild durch sein Leben. Am Montag (15. August) wird der in Worms geborene Kargus 70 Jahre alt.
Rudi Kargus: Vom HSV-Torwart zum anerkannten Maler
„Die Malerei kam wie ein Geschenk“, erzählt Kargus. Während einer Reha sei bei ihm einst der Gedanke gereift, dass er außer Fußball noch etwas anderes machen sollte. „Ich habe mich dann etwa mit Reisen beschäftigt und auch mit Kunst. Dabei habe ich die Malerei entdeckt. Das hat sich gut angefühlt. Ich habe Kurse besucht, langsam ist es gewachsen. Der Funke sprang dann so vor 20 Jahren, um die Jahrtausendwende, endgültig über.“
In Stade hängen seine jüngsten Werke: oft Figuren, deren Gesichter verfremdet sind, eher gedeckte Farben, Öl auf Leinwand, wie der Katalog zeigt. Die Bilder heißen „Roots“ oder „Zerberus“, „Die große Bühne“ oder „Die Schlacht“. Das Triptychon „Kathedrale des Irrsinns“ ist halb so groß wie ein Fußballtor. Das oft üppige Format sei „eine neue Herausforderung“, sagt Kargus. „Das beschäftigt mich aktuell.“
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Würde er anders malen ohne die Erfahrung als Fußballprofi? Wohl ja, meint Kargus. „Malerei speist sich immer aus dem eigenen Erlebten.“ Berührt habe es ihn, berühmte Werke im Original zu sehen: „Guernica“ von Picasso oder „Mona Lisa“ von da Vinci. Als Einflüsse nennt er etwa den Briten Francis Bacon. „Die Ernsthaftigkeit motiviert mich.“ Ernst will auch Kargus genommen werden. Er sei kein exotischer Ex-Sportler mit Pinsel, sondern ein seriöser Maler. Authentisch.
Zwischen 1971 und 1990 bestritt der in Quickborn lebende Kargus für Hamburg, Nürnberg, Karlsruhe, Düsseldorf und Köln 408 Erst- und 19 Zweitligapartien. Sein „erstes Leben“ nennt er dies. Jetzt bestimmt die Kunst sein Dasein. Neben Ausstellungen im Hamburger Großraum präsentierte er seine Werke bereits in Köln, Düsseldorf und Wien.
Bei Hamburg: Rudi Kargus zeigt Werke im Kunsthaus Stade
Manche Gemälde seien in einer Woche, manche in einigen Monaten fertig, erzählt er. Wie viele Bilder er in einem Jahr malt, weiß er nicht auf Anhieb. „Das können 30 oder auch 50 sein. Ich zähle sie nicht.“ Und wo werden obszönere Preise bezahlt: in der Kunst oder im Fußball? „Obszön trifft es in beiden Bereichen“, meint Kargus. „Die Summen sind in diesen Dimensionen nicht mehr nachvollziehbar.“
Ist die Einsamkeit im Maleratelier mit der Einsamkeit im Fußballtor vergleichbar? Kargus wiegt den Kopf. „Ich genieße das Alleinsein im Atelier und das autonome Arbeiten. Beim Fußball hatte man doch – und als Torwart verstärkt – Verantwortung für die ganze Gruppe.“
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In seinem „ersten Leben“ ist er mit einem Talent besonders bekannt geworden: Kargus ist bis heute mit mehr als 20 gehaltenen Strafstößen der „Elfmetertöter“ der Bundesliga-Geschichte. Als es aber im Finale der Europameisterschaft 1976 zum Elfmeterschießen kommt, sitzt Kargus auf der Ersatzbank. Die Tschechoslowakei gewinnt dank eines Lupfers von Antonin Panenka. Wäre Deutschland mit ihm Europameister geworden?
„Das ist ganz spekulativ“, meint Kargus. „Und was hätte man gesagt, wenn der Panenka den unerfahrenen Kargus so verladen hätte…“