Daniel Günther (CDU, r.), Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, und seine Stellvertreterin Monika Heinold (Bündnis 90/Die Grünen)
  • Daniel Günther (CDU), Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, und seine Stellvertreterin Monika Heinold (Bündnis 90/Die Grünen)
  • Foto: dpa | Christian Charisius

Gegrummel in eigenen Reihen: So heikel ist die Lage bei Schwarz-Grün im Norden

Haushaltssperre, Verschiebung des Etats 2024, inhaltliche Differenzen: Schwarz-Grün ist nicht unbeschwert in die Sommerpause gegangen. Jetzt muss die Koalition von Regierungschef Günther heikle Entscheidungen treffen.

Nach düsteren Wochen mit ungekannten Regenmassen scheint über Schleswig-Holstein ab und zu wieder die Sonne – ob das in nächster Zeit auch für die schwarz-grüne Koalition von Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) gilt, wird sich zeigen. Die angespannte Haushaltslage trübt jedenfalls die Aussichten.

Schwarz-grüne Koalition in der Krise? „Die Grünen dürfen zu viel“

Und in der CDU hat sich zumindest im konservativen Flügel schlechte Stimmung zusammengebraut. „Die Grünen dürfen zu viel“, lautet eine Klage – sie richtet sich an Daniel Günther. Dieser sei zu zögerlich, vielleicht konfliktscheu. Oder will er schlicht die Grünen weiter vereinnahmen, die er der FDP aus strategischen Gründen als Koalitionspartner vorgezogen hatte? „Es rumort“, sagt hinter vorgehaltener Hand ein CDU-Koalitionär. Die grünen Minister Aminata Touré (Soziales) und Tobias Goldschmidt (Umwelt) ließen sich nicht mal von der eigenen Finanzministerin Monika Heinold „einfangen“. Und der ländliche Raum – eigentlich CDU-Terrain – komme zu kurz.

Schleswig-Holsteins Sozialministerin Aminata Touré (Grüne). picture alliance/dpa/Marcus Brandt
Touré spricht während der Landtagssitzung am Rednerpult.
Schleswig-Holsteins Sozialministerin Aminata Touré (Grüne)

„Wer soll das alles bezahlen“, heißt es nicht nur mit Blick auf das umstrittene Projekt eines Nationalparks Ostsee. „Wir sind im Landtag ein Mandat vor der absoluten Mehrheit und lassen uns am Nasenring durch die Arena führen“, sagt ein Christdemokrat. Und wofür stehe Günther eigentlich, was sei sein Profil, schiebt er nach.

„Wir bekommen es in der Koalition hin, Positionen gemeinsam zu vereinbaren, selbst dann, wenn sie im Koalitionsvertrag nicht geregelt waren“, sagt CDU-Fraktionschef Tobias Koch. Dabei sei eine klare Handschrift der CDU erkennbar. „Wir haben nach wie vor ein sehr gutes und vertrauensvolles Miteinander in der Koalition – und zwar trotz unterschiedlicher Auffassungen.“

„Ministerpräsident muss Flagge zeigen für die Gesamtwirtschaft“

Für Klaus-Peter Lucht, Bauernverbandspräsident und Mitglied des CDU-Landesvorstandes, läuft nicht alles wie gewünscht. Im Blick auf die Landwirtschaft könne es nicht nur um Extensivierung und Flächenstilllegungen gehen, sagt er und mahnt eine wirtschaftsfreundlichere Politik an. „Da fordere ich den Ministerpräsidenten auf, Flagge zu zeigen für die Gesamtwirtschaft.“

Bei der CDU könnte es am 5. Oktober interessant werden. Dann wird nicht nur der Landesvorstand neu gewählt. Es kommt auch zum Duell um die Spitzenkandidatur zur Europawahl zwischen dem EU-Abgeordneten und Günther-Vertrauten Niclas Herbst und Ex-Fraktions- und CDU-Landeschef Christian von Boetticher. Der kommt aus dem konservativen Lager und gilt nicht als Günther-Freund.

FDP-Fraktionschef will eine klare Haushaltslage

Im Hinblick auf die Haushaltslage hat FDP-Fraktionschef Christopher Vogt die Koalition aufgefordert, zügig zu erklären, wohin die Reise gehen soll. Die Finanzministerin stellte schon Sparpakete und eine Ausgabenbremse beim Personal in Aussicht, während SPD-Fraktionschef Thomas Losse-Müller milliardenschwere Investitionen verlangt. Günther wird sich angesichts der Großwetterlage auf eine noch härtere Gangart der Opposition einstellen müssen. Und auf mehr Belastbarkeitstests für die Koalition, nicht nur beim Reizthema Nationalpark Ostsee.

„Jetzt beginnt der Ernst des Lebens“, sagt jemand aus dem Führungskreis der Koalition. In der Tat wird Günther wegen einer für 2024 noch zu schließenden Lücke von einer halben Milliarde Euro auch Wohlgesonnenen sagen müssen: „Das geht nicht mehr, dafür reicht das Geld nicht.“ Dies weckt in der CDU böse Erinnerungen: Nachdem die damalige schwarz-gelbe Koalition 2009 bis 2012 einen von harschen öffentlichen Protesten begleiteten strikten Sparkurs gefahren hatte, folgte 2012 eine Wahlschlappe. SPD, Grüne und der SSW übernahmen das Ruder – für manchen „Schwarzen“ noch heute ein Trauma.

Vor gut zehn Jahren gab es in Schleswig-Holstein noch eine schwarz-gelbe Koalition: Der ehemalige Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU, r) und sein Stellvertreter, Ex-Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) dpa | Carsten Rehder
2012 gab es in Schleswig-Holstein noch eine schwarz-gelbe Koalition: Der ehemalige Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU, r) und sein Stellvertreter, Ex-Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP)
Vor gut zehn Jahren gab es in Schleswig-Holstein noch eine schwarz-gelbe Koalition: der ehemalige Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU, r.) und sein Stellvertreter, Ex-Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP)

Auch die kommenden Sparmaßnahmen werden Proteste auslösen und Günther als Krisenmanager fordern. In der Corona-Zeit hat das funktioniert. Nach der Sommerpause hatte Günther persönlich keinen so angenehmen Start, musste sich auf Fehmarn wütenden Protesten gegen einen Nationalpark Ostsee stellen. Das Projekt treiben die Grünen mit Umweltminister Goldschmidt voran. In der CDU gibt es zum Teil ein klares Nein. So wachsen Zweifel, ob ein Nationalpark kommt. Dass der Schutz der Ostsee verbessert werden muss, ist allerdings Konsens.

Die Haushaltslage wird es immer weniger erlauben, Unterschiede in Begehrlichkeiten der Koalitionspartner mit Geld zuzupflastern. Ein breites Bündnis gegen Mittelkürzungen in dieser krisenhaften Zeit hat sich längst formiert. Verbände und Initiativen leiden in diversen Bereichen schon jetzt unter Finanznot.

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Kritik entzündet sich nicht nur an drohenden Sparplänen. Der Regierung mangele es an Handlungsentschlossenheit, ist über die Opposition hinaus im landespolitischen Großraum zu vernehmen. Entscheidungen in Ministerien dauerten zu lange. Was alles bisher nichts daran änderte, dass der Ministerpräsident im Land beliebt ist und dies dem Regierungslager insgesamt zugute kommt.

Aber die Schleswig-Holsteiner müssen sich Günther zufolge auf eine längere Phase finanzieller Angespanntheit einrichten. Nur mit Einsparungen seien die verfassungsgemäßen Verschuldungskriterien einzuhalten, hatte er im Juli unter Hinweis auf finanzielle Folgen von Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg gesagt. Die Regierung werde aber ein Paket vorlegen, das die Zukunftschancen des Landes sichert. Wie es aussieht, ist noch offen.

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