Tornado in Kiel: Warum gab es keine Unwetterwarnung?
Es waren nur wenige Minuten und der Windrüssel war mit einem Durchmesser von rund zehn Metern am Boden relativ klein. Trotzdem zeigte der Tornado am Mittwochabend am Ufer der Kieler Förde, welche Gefahr von den plötzlich auftretenden Luftwirbeln ausgeht: Mehrere Menschen wurden von der Promenade ins Wasser gespült, weitere verletzt. Warum hab es keine Unwetterwarnung?
„Die Wetterlage war eigentlich nicht so brisant, dass man mit Tornados rechnen musste“, sagt Meteorologe Frank Böttcher gegenüber der MOPO. „Diese kleinen, lokalen Verwirbelungen sind sehr kurzlebig und auf dem Radar kaum zu sehen, darum sind sie extrem schwer voraus zu sagen.“
Tornado in Kiel: Warum gab es keine Unwetterwarnung?
Dabei werden Tornados in Norddeutschland immer häufiger – zumindest gefühlt: 2016 hinterließ eine heftige Windhose in Farmsen-Berne eine Schneise der Verwüstung und erst vor wenigen Wochen fegte ein Tornado durch die ostfriesische Gemeinde Großheide. „Tatsächlich ist die Zahl der beobachteten Tornados seit 2005 signifikant gestiegen“, bestätigt Böttcher. Als Zeichen des Klimawandels könne das aber noch nicht gelten: „Das hängt vielmehr damit zusammen, dass seitdem fast jeder ein Smartphone mit Kamera hat.“
Auch der Kieler Klima-Forscher Mojib Latif zieht aus dem Tornado, der nur wenige Meter von seinem Büro im „Geomar Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung“ über die Promenade gefegt ist, keine Verbindung zur globalen Erwärmung: „Es ist ein seltenes Phänomen, das hin und wieder auftaucht, bedeutet aber keine neue Qualität.“ Die Dunkelziffer sei hoch. „Wenn sie draußen auf dem Meer auftreten, dann können sie unbeobachtet bleiben.“
Auch in Kiel hatte sich das Geschehen weitgehend über dem Wasser der Förde abgespielt, Videos zeigen sogar zwei „Wasserhosen“, wie Wirbelstürme über Gewässern auch genannt werden. Latif: „Wenn sie auf dem Wasser auftreten, ist das wie eine glückliche Fügung, wenn dort nicht gerade ein Schiff fährt.“
Angesichts der Schäden an der Kiel-Linie spricht der Forscher von einem „erschreckenden Szenario“: „Tornados sind zwar kleinräumig. Sie können aber ganze Straßenzüge verwüsten, wenn man Pech hat, und dann können auch Menschen ums Leben kommen.“
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Tatsächlich besteht die größte Verletzungsgefahr durch Trümmerteile, die durch den Unterdruck im Luftwirbel in die Höhe geschleudert werden. Selbst kleine Gegenstände werden dann zu schmerzhaften Geschossen: „Man muss sich bloß mal vorstellen, man würde auf der Autobahn bei 120 Stundenkilometern die Hand aus dem Fenster halten und gegen einen Zweig stoßen, das würde erheblich wehtun“, erklärt Böttcher.
Dabei können Tornados eine viel größere Wucht erreichen: 1999 wurde bei einem Tornado in Oklahoma die Rekordgeschwindigkeit von 484 Stundenkilometern erreicht – so ein Wirbel reißt sogar Asphalt von der Straße.
Muss Hamburg sich Sorgen machen? „Wir hatten bisher Glück“, sagt Frank Böttcher: „Hamburg ist nicht sicher vor Tornados, es besteht aber auch kein Grund zur Panik.“