Christine Schmidt
  • Lüneburg: Christine Schmid, Superintendentin, hält ein Schild der Lüneburger Dialoge in den Händen.
  • Foto: Philipp Schulze (dpa)

Pastoren im Norden suchen Dialog mit Corona-Demonstranten

Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen und Impfungen gibt es seit langem, die aggressive Stimmung nimmt zu. Auch in Lüneburg, wo sich Pastoren ein Dialog-Format überlegt haben, um die gegensätzlichen Meinungen auszutauschen.

Sie stehen sich gegenüber, jeden Montag nur wenige Meter getrennt, und schreien sich an. Das war die Stimmung zuletzt bei den Demonstrationen in Lüneburg zum umstrittenen Thema Corona.

Die einen fühlen sich in ihrer Freiheit eingeschränkt, zünden Kerzen an und hören Lieder von Reinhard Mey, die anderen verstehen die Skepsis vor der Impfung nicht und halten sie für den besten Weg aus der Pandemie.

Lüneburg: Pastoren haben sich Dialog-Format für Austausch mit Corona-Demonstranten überlegt

Diese Konfrontation will die leitende Superintendentin Christine Schmid mit mehreren Kollegen aus dem Pastorenkreis entschärfen. Bei den Lüneburger Dialogen unter dem Motto „Haltung zeigen in der Corona-Pandemie“ sollen in einem Eins-zu-Eins-Format konträre Auffassungen ausgetauscht werden.


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„Wir wollen als Kirche nicht sagen, was richtig und falsch ist, sondern Menschen zusammenbringen“, sagt die Pastorin. Man wolle nur einen bescheidenen Impuls geben. Die Zwiegespräche sollen ein erster Schritt zur Annäherung in aufgeheizten Zeiten sein, es gibt Interesse aus beiden Lagern.

Auf einem kleinen, dunklen Schulhof in der Nähe zur Demo stehen acht Stehtische mit einer Kerze drauf. Die etwa 20 Teilnehmer und Teilnehmerinnen stellen sich in einem Kreis kurz vor, dann geht es in die Diskussionen. Wobei es zwei Talkrunden gibt, die mit einer Klingel genau zeitlich abgesteckt sind.

Dialog zwischen Corona-Demonstranten und Befürwortern der Corona-Maßnahmen

Eine allgemeine Frage wird von einer moderierenden Pastorin vorgegeben, jeder darf dazu abwechselnd vier Minuten reden, sein Gegenüber muss zuhören – ohne ihn zu unterbrechen. „Kirche kann moderieren, diese Aufgabe wird uns zugetraut“, betont Schmid. In Konflikten wolle man einen „dritten Raum“ für Verständigung aufmachen. Als Vorbild könne auch die Rolle von Pastoren bei Runden Tischen nach der Wende dienen.

„Es war ein gutes Gespräch, wir haben uns erklärt, wo unsere Standpunkte sind“, erzählt Birgit Wortmann nach dem Austausch in der Kälte. Und die hätten gar nicht so weit auseinander gelegen. Ziemlich schnell beim Du sind ihr Ehemann Hans Wortmann und Talkpartner Olaf Jungbluth, die sich aufmerksam zuhören und nach Gemeinsamkeiten suchen.

Olaf Jungbluth (l.) und Hans Wortmann sprechen bei den Lüneburger Dialogen aus der Sicht eines Ungeimpften und eines Geimpften. Philipp Schulze (dpa)
Lüneburger Dialoge
Olaf Jungbluth (l.) und Hans Wortmann sprechen bei den Lüneburger Dialogen aus der Sicht eines Ungeimpften und eines Geimpften.

Wortmann hebt als pensionierter Anästhesist die Gesundheitsgefahren in der Pandemie hervor, besonders für die Ungeimpften. „Ich finde das gut, auch wenn man die Argumente hundert Mal gehört hat“, sagt der 71-Jährige. „Ich hoffe, etwas bewirkt zu haben.“ Der 20 Jahre jüngere Gesprächspartner lauscht, ist interessiert an Sachargumenten.

Jungbluth nennt sich selbst „impffrei“ und „gesundheitsbewusst“, er möchte weder in die Ecke der Leugner noch der Gegner gestellt werden. Er hat Bedenken, was die Nebenwirkungen einer Impfung gegen das Virus angeht und ist daher für die freie Entscheidung.

Lüneburg: Pastoren suchen Dialog mit Corona-Demonstranten

„Man kann unterschiedlicher Meinung sein, nur sollte man dem anderen keine schlechten Motive unterstellen“, sagt der Demonstrant aus Wendisch Evern, der in der Arbeitstherapie bei einem kirchlichen Träger arbeitet. Ohne Impfschutz ist seine Anstellung in der sozialen Einrichtung in Gefahr – für ihn gilt die Impfpflicht bis 15. März. „Ich riskiere viel, es steht viel auf dem Spiel“, sagt er.

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Die Lüneburger Dialoge haben schon viel Interesse bei Nachahmern geweckt, erzählt Schmid. Sie bekommt fast täglich Anrufe und erklärt gern den Ansatz. Als nächstes steht eine Kooperation mit Kulturschaffenden aus der Hansestadt an, die Interesse signalisiert haben, die Dialoge mit zu gestalten. (mp/dpa)

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