• Foto: Carsten Rehder/picture alliance / dpa

Menschen sind genervt: Demonstration am Wildschweinzaun

Krusau/Harrislee –

Der dänische Zaun entlang der Grenze zu Schleswig-Holstein nervt viele Menschen in der Region. Knapp 250 Teilnehmer machen ihrem Ärger bei einer Demonstration am Bauwerk Luft. Sie sorgen sich um das Wohl der Tiere – und das Zusammenleben von Deutschen und Dänen.

Symbolpolitik, unverhältnismäßig, nutzlos und schlecht für die Tiere – Die Gegner des Zauns, den Dänemark entlang der Grenze zu Deutschland zum Schutz gegen die Afrikanische Schweinepest errichtet hat, finden viele Gründe, warum dieser weg soll.

Demonstration am Wildschweinzaun: 250 Menschen vor Ort

Am Samstag haben sich in der Nähe von Flensburg rund 250 Menschen von beiden Seiten der Grenze versammelt, um gegen das Bauwerk zu demonstrieren. Viele haben Schilder dabei, etwa mit der Aufschrift „Schengen“ für Hirsche und Rehe“, einige tragen Wildschweinmasken- oder Mützen. Gemeinsam laufen sie vom dänischen Krusau zum „grünen“ Grenzübergang Schusterkate an der Flensburger Förde.

Der Weg der Demonstranten verläuft auch durch den Kollunder Wald – ein bei vielen Spaziergängern und Radfahrern beliebtes Naherholungsgebiet. Mehrfach kreuzt der Wildschweinzaun dabei den Weg, muss eine Pforte, die den Wanderweg versperrt, geöffnet und wieder geschlossen werden. Er fahre hier viel mit dem Rad, sagt Jan Rathje aus der deutschen Grenzgemeinde Harrislee nahe Flensburgs. „Da stören die Tore und auch die Viehgitter.“ Diese sind an einigen Wegen im Boden eingelassen.

Kritik am Wildschweinzaun: Tiere verenden

Auch zwei Monate nach Fertigstellung reißt die Kritik am Zaun nicht ab. „Wenn mein Blutdruck mal etwas zu niedrig ist, muss ich nur an diese Stelle fahren“, sagt der Bürgermeister von Harrislee, Martin Ellermann. Mit dem Zaun und damit dem Wieder-Sichtbarmachen der Grenze werde das jahrelange Bemühen, die Grenze zu überwinden, konterkariert, findet Ellermann. Zudem leide die gesamte Tierwelt.

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In den vergangenen Monaten gab es mehrfach Berichte über Rehe und Hirsche, die bei dem Versuch, den Zaun zu überwinden, verenden. Aufnahmen von einem im Zaun hängenden toten Hirsch machten unter anderem in sozialen Netzwerken die Runde. Die dänische Naturschutzbehörde hat eigenen Angaben zufolge Kenntnis von zwei Rehen und einem Rothirsch, die im Zaun starben. Auf einer Zaunlänge von rund 600 Metern mit besonders starkem Wildwechsel wurden als Reaktion Kameras angebracht. Tiere, die im Zaun stecken geblieben sind, wurden den Angaben zufolge nicht beobachtet. Trotzdem soll hier die Maschenweite auf den oberen 60 Zentimetern des Zaun verkleinert werden. So soll das Risiko reduziert werden, dass Wild mit den Läufen hängenbleibt.

Bürgervorschlag in Dänemark braucht 50.000 Unterschriften

Auch viele Dänen sind von dem Bauwerk genervt. Vier von ihnen haben Mitte Dezember einen Bürgervorschlag mit dem Namen „Entfernt den Wildschweinzaun an der dänisch-deutschen Grenze“ eingebracht, für den sie seitdem online Unterschriften sammeln. Etwa 4000 sind bei dieser Petition bislang zusammengekommen. Werden es bis Juni 50.000, muss sich das Parlament in Kopenhagen mit dem Thema befassen.

Südlich der Grenze wurde ebenfalls eine Online-Petition gestartet, da die hier lebenden Gegner den dänischen Bürgervorschlag nicht unterstützen können. Die Unterschriften sollen dem dänischen Botschafter Friis Arne Petersen in Berlin übergeben werden – mit der Aufforderung, sie zum Folketing, also dem dänischen Parlament, zu bringen.

Demo-Initiator Børge Petersen findet, „dieser Zaun ist traurig für die Tiere, aber auch traurig für Deutsche und Dänen, die nach dem Weltkrieg wirklich gute Freunde geworden sind.“ Dass der unter der Vorgängerregierung beschlossene Zaun unter Regierungschefin Mette Frederiksen abgerissen wird, daran glaubt er nicht. Denn der Regierungswechsel in Dänemark im Sommer 2019 hat nichts daran geändert, dass der Wildschweinzaun weitergebaut und fertiggestellt wurde.

Grenzüberkerhende Wildschweine erhöhen das Seuchen-Risiko

Der Vizepräsident des Bauernverbandes Schleswig-Holstein, Dietrich Pritschau, kann die dänische Argumentation trotz der negativen Aspekte gut verstehen. In Jütland lebten kaum noch Wildschweine, sagt er – und je kleiner der Schwarzwildbestand, desto geringer das Risiko, dass ein Wildschwein beispielsweise ein mit dem ASP-Erreger infiziertes, weggeworfenes Wurstbrot frisst und die Seuche damit in die Population einträgt. Jedes von Deutschland eingewanderte Wildschwein –egal ob infiziert oder nicht – erhöhe also das Seuchen-Risiko.

Ein Nachweis der für den Menschen ungefährlichen Seuche im Land würde einen sofortigen Exportstopp für dänische Schweineprodukte in Nicht-EU-Länder bedeuten. Die Schweinefleischproduktion ist ein immens wichtiger Wirtschaftszweig in Dänemark.

Schutzzäune auch in Sachsen und Brandenburg 

Sowohl in Dänemark als auch in Deutschland hat es bislang noch keinen Fall der Afrikanischen Schweinepest gegeben. Doch erst kürzlich ist in Polen nur zwölf Kilometer von der deutschen Grenze entfernt ein neuer Fall der Tierseuche gemeldet worden. In Sachsen und Brandenburg werden daher auch Schutzzäune entlang der Grenze errichtet. Die Zäune sind aber im Gegensatz zum fest im Boden verankerten dänischen Zaun sichtbar temporäre Maßnahmen. Sie werden daher auch von Zaungegnern entlang der dänischen Grenze anders bewertet – weniger symbolträchtig und weniger schädlich für die Tierwelt. (dpa)

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