Nach 108 Jahren! : Beliebter Kaufmannsladen bei Hamburg macht dicht
Wedel –
Frisch geschmierte Brötchen, selbstgemachte Marmeladen und Salate: Im Feinkostladen „Ihr Kaufmann” von Donald Kleinwort in der Hafenstraße in Wedel gibt es Dinge, die man im großen Supermarkt nicht findet. Doch nach 108 Jahren schließt das Lebensmittelgeschäft an der Ecke bald, der gelernte Kaufmann geht in den Ruhestand.
Mit viel Liebe und Leidenschaft hat Familie Kleinwort in ihrem Laden gearbeitet. Nun werden die Regale immer leerer, denn das Geschäft schließt Ende September. Was ausverkauft ist, wird jetzt nicht mehr nachbestellt. „Mein Weinkeller ist ein Trauerspiel im Moment”, sagt Donald Kleinwort (65). Zusammen mit seiner Frau Angela (57) und zwei Mitarbeiterinnen verkauft er auf 200 Quadratmeter neben den üblichen Lebensmitteln auch regionale Produkte, wie Honig aus Hetlingen und Fleisch vom örtlichen Schlachter. „Bei uns gibt es nichts Abgepacktes, alles ist frisch und kommt aus der der Region”, erzählt der Inhaber.
Wedel: Kaufmannsladen macht nach 108 Jahren dicht
Bald geht der 65-Jährige in den Ruhestand: „Körperlich ist dann irgendwann mal der Akku leer”, sagt Donald Kleinwort. 1912 gründete Arthur Möller den Kaufmannsladen und gab ihn später in die Hände seiner Tochter Thea Kleinwort. Sie erlebte auch die Schattenseiten der Selbstständigkeit. „Im zweiten Weltkrieg haben sie uns den Laden so zerbombt, dass wir alles, unsere ganze Existenz wieder aufbauen mussten”, erzählt die inzwischen 90-Jährige.
Das Kaufmanns-Blut fließt noch heute durch ihre Adern: „Den letzten, den nehmen sie!”, sagt die Seniorin zum Kunden, der nach einem Prosecco sucht. Dabei hatte sie vor zehn Jahren den Kaufmanns-Kittel wortwörtlich an den Nagel gehängt und den Laden an die dritte Generation, ihren Sohn, übergeben.
„Ihr Kaufmann“ in Wedel überlebte harte Zeiten
Die Corona-Pandemie ist zum Abschluss ein Gewinn: „Wir hatten deutlich mehr Umsatz und auch mehr Kunden, denn die Leute sind lieber zu uns gekommen, um den Ansturm in großen Supermärkten auszuweichen”, erzählt Donald Kleinwort.
Ausverkauftes Klopapier, Hamstereinkäufe und junge Leute, die für Ältere einkauften: „Es ist eine schlimme und gleichzeitig aufregende Zeit, die aber so einen Zusammenhalt in die Gesellschaft brachte, wie lange nicht mehr”, sagt er und erzählt: „Einer hatte immer 200 Euro hier liegen lassen und dann haben wir das nach und nach abgerechnet.”
„Ihr Kaufmann” in Wedel: Hier drehte schon die Sesamstraße
Auch Prominente, die ihre Boote im Hamburger Yachthafen hatten, wie die TV-Legenden Peter Frankenfeld und Hans-Joachim Kulenkampff, kauften mal bei den Kleinworts ein. Sogar die „Sesamstraße” war vor fünf Jahren bei dem Familienladen zu Gast.
Ihre Lebensmittel wollten die Puppenspieler aber nicht: „Die habe ihre eigenen Päckchen und Dosen mitgebracht, alles hier auf den Kopf gestellt und unseren Laden dann als Kulisse genutzt”, erzählt der Selbstständige.
Vom Beruf Kaufmann: Familie Kleinwort ist mit „Herz und Seele” Verkäufer
Nach und nach verabschieden sich die Kunden. Über der Frischtheke hängt eine selbstgemaltes Sonnenblumenbild, dass der Kindergarten um die Ecke zum Abschied geschenkt hat. „Hier kaufen Familien in der vierten Generation” sagt Frau Kleinwort. „Man kennt die Kunden und weiß genau, was sie wollen.”
Und genau in diesem persönlichen Kontakt liegt für die Kleinworts nach allen Jahren noch immer der Reiz am Beruf. „Wenn du nicht mit Herz und Seele dabei bist, bist du nur ein Handlanger und kein Verkäufer”, findet die Seniorin.
Schluss für Feinkostladen in Wedel: Nach 108 Jahren zieht ein Bootsservice in die Hafenstraße
Für Angela Kleinwort ist noch nicht endgültig Schluss: Sie wird in einem Blankeneser Feinkostladen noch etwas aushelfen. Ihre zwei Töchter haben mit der Welt des Kaufmanns nichts zu tun und haben ihren eigenen Interessen nach studiert.
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In den Laden wird dann ein Bootsservice einziehen. Trotz Schließung freut sich Donald Kleinwort auf seinen Ruhestand. „Wir gehen mit einem lachenden und weinenden Auge”, sagt er.