Bio-Hacking: Bäuerin öffnet Türen per Chip unter der Haut
Juliane von der Ohe öffnet ihre Haustür nicht mehr per Schlüssel. Die Landwirtin hält ihr gechipptes Handgelenk ans Spezialschloss und schon summt es. Eine Wissenschaftlerin glaubt, dass Chips im menschlichen Körper schon in zehn Jahren ganz alltäglich sind.
Viele Menschen haben Vorbehalte gegen digitale Technik in ihrem Körper – Juliane von der Ohe geht ganz unkompliziert damit um. Ein Chip im Handgelenk wirkt wie „Sesam öffne Dich“ für die 60 alte Landwirtin aus Haarstorf bei Uelzen in der Lüneburger Heide. „Ich bin kein mutiger Mensch“, sagt die Bäuerin und CDU-Politikerin, die neugierig und praktisch veranlagt ist. „Aber ein Landwirt liebt seine Technik und ich kenne das von meinen Haustieren. Ich habe noch nie erlebt, dass eins gestorben ist, deshalb habe ich überhaupt keine Berührungsängste“.
Implantate liegen unter der Haut zwischen Daumen und Zeigefinger
Übelste Beschimpfungen, aber auch Heiratsanträge habe sie erhalten, nachdem bekannt wurde, dass sie so offen mit der neuen Technologie umgeht. Stolz berichtet die Pionierin von einem Parteitag, als sie Kanzlerin Angela Merkel ihre neuesten Errungenschaften zeigte, und hat gleich ein Foto davon parat. Zwei Reiskorn große Implantate liegen knapp unter der Haut jeder Hand zwischen Daumen und Zeigefinger – einer für die Haustür, einer für den Computer – ein größeres Plättchen zum Bezahlen im Supermarkt schlummert im Handgelenk. Von der Ohe muss keine Schlüssel mit sich führen, Passwörter merken schon gar nicht und der Katzentrog öffnet sich auch automatisch, wenn sie ihre Hand dranhält.
Das könnte Sie auch interessieren: Überraschung: Hamburgerin kauft Eier aus Discounter – Küken schlüpfen
Die Bezirksvorsitzende der Mittelstandsunion vertritt die Auffassung, dass sie ihre Daten sogar besonders schützt. „Mitnichten kann man mein Konto plündern“, sagt sie über die passive Technik ohne Batterie in ihrem Körper. Vorsichtshalber lädt sie immer nur so viel Geld auf das Prepaidsystem, wie sie auch im Portemonnaie bei sich tragen würde. Kürzlich fiel ihr etwas auf den Bezahlchip, der nun erneuert werden muss. Wahrscheinlich wieder bei Patrick Kramer, dem Geschäftsführer der Firma Digiwell in Hamburg, die das Produkt vertreibt und auch einsetzt.
Von der Ohe: Ich habe darüber schon mit Jens Spahn gesprochen
Etwa 300 Euro investierte von der Ohe bisher, ihre Tochter Viktoria Haufe trägt ihre Visitenkarte inzwischen unter der Haut. Wenn die 21-Jährige jemanden kennenlernt, kann sie die Hand dicht ans fremde Smartphone halten, das die Daten dann übernimmt. „Wir chippen seit 30 Jahren Haustiere“, betont Kramer, der als Vorreiter der Branche in Deutschland gilt und mit einem Unternehmen in den USA kooperiert. Es gebe kein technisches Produkt, mit dem man mehr Erfahrungen im menschlichen Körper habe.
Das könnte Sie auch interessieren: Kein Scherz: Hamburg ist Digitalisierungs-Meister
Er erzählt von Implantaten für Menschen mit Handicap, wie einem ohne Arme geborenen Mädchen, das nun mit der neuen Hilfe im Fuß Schlösser öffnen kann. Oder auch dem Epileptiker, der seine Krankenakte für den Notfall gespeichert hat. „Das kann Leben retten“, sagt Kramer und versichert, die Daten seien sicher. Um sie abzuscannen, brauche man bewussten Hautkontakt. Auch von der Ohe hätte gern Gesundheitsdaten wie den Impfstatus unter der Haut und will Werbung für die digitale Patientenakte machen. „Ich habe darüber schon mit Jens Spahn gesprochen“, berichtet sie von einem Kontakt zum Gesundheitsminister.
RFID-Chips seit Jahrzenten auf Paketen, Containern und Ettiketen von Kleidung
Biohacking ist das Thema der Doktorarbeit von Kulturwissenschaftlerin Laura Hille an der Leuphana Universität in Lüneburg. Sie befasst sich mit der Verschmelzung von Mensch und Maschine und versteht viele Vorbehalte nicht. „Warum sind bestimmte Technologien wie Herzschrittmacher oder Kupferspiralen zur Verhütung anerkannt und die Ängste vor den Chips so groß?“, fragt die 34-Jährige. „Die sogenannten RFID-Chips gibt es seit Jahrzehnten auf Paketen, Containern und in Etiketten von Kleidung zur Nachverfolgung.“
Das könnte Sie auch interessieren: Mit vier Milliarden Euro: In diese Bereiche will Hamburg jetzt investieren
All diese kleinen Plättchen hätten keinen Sender und nur wenig Reichweite. „Unser Smartphone hat deutlich sensiblere Daten, die viele freiwillig rausgeben“, sagt Hille und ist sich sicher, dass kleine Informationsträger unter der menschlichen Haut in etwa zehn Jahren gang und gäbe sind.