Der Kult-Bulli fährt jetzt elektrisch – und fast von ganz allein
Der ID.Buzz steht in den Startlöchern. Als vollelektrischer Vertreter der leichten Nutzfahrzeuge im VW-Konzern soll der Bulli-Nachkomme demnächst auch erste Serienfunktionen zum autonomen Fahren erhalten. Für Volkswagen steht der wohl wichtigste Modellanlauf des Jahres an.
Fast exakt 72 Jahre ist es her, dass VW die ersten Ausgaben des späteren Flower-Power-Autos in Hannover zusammenbaute – jetzt soll der ID.Buzz das Erbe des Bullis in der Elektrowelt fortführen. Für den Hersteller steht dabei einiges auf dem Spiel.
Der E-Bus ist der erste Beitrag der leichten Nutzfahrzeuge (VWN) zur neuen ID-Reihe, und er soll mittelfristig eine Art Serienauftakt für autonome Fahrfunktionen machen. Dazu kommen hohe Kundenerwartungen – nicht nur Nostalgiker aus der T1-Epoche dürften genau hinsehen.
Volkswagen: ID.Buzz ist wichtigster Modellanlauf des Jahres
VW-Kernmarkenchef Ralf Brandstätter, jüngst in den Konzernvorstand aufgerückt, sparte zur Vorstellung des „emotionalen Produkts“ am Mittwochabend nicht mit Pathos und beschwor den Zeitgeist der 60er: „Dieses Lebensgefühl bringen wir auf die Straße, ins Hier und Heute.“ Auch jenseits von Marketing-Floskeln hat der ID.Buzz in der Tat eine zentrale Rolle. Er steht für „die Kernelemente unserer Strategie: E-Mobilität, Digitalisierung, Vernetzung und assistiertes Fahren“.
Nach jahrelanger Planung wird es nun ernst. Die letzte Vorserie lief Ende 2021 im VWN-Stammwerk in Hannover durch, in der ersten Hälfte dieses Jahres soll die Vollproduktion beginnen. Markteinführung in Europa ist dann im Herbst, vorher läuft im Mai der Vorverkauf an. Zunächst wird der ID.Buzz mit einem 150-Kilowatt-E-Motor angeboten.
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Der Antrieb auf Basis des Elektro-Baukastens MEB ist bereits aus anderen ID-Ablegern bekannt, 30 Prozent der E-Fahrzeuge des Konzerns haben mittlerweile diese Grundarchitektur. Zusätzliche Aufmerksamkeit erhält der ID.Buzz, weil es auch um eine vertiefte Vernetzung geht.
Elektro-Bulli: Mehr als 30 Assistenzsysteme möglich
Schon die ersten Neo-Bullis können etliche Assistenzsysteme mit erweiterten Funktionen enthalten, in der „höchsten Ausbaustufe“ sollen es laut VWN mehr als 30 sein. Unter anderem liefert der Nachbar Continental aus Niedersachsen zu. „Viele Technologiebeiträge von uns sind an Bord“, sagte dessen Vorstandschef Nikolai Setzer am Mittwoch.
Höhere Stufen des teilautonomen und vollautonomen Fahrens sind aber ebenso vorgesehen. Bei der Automesse IAA im September stellte VW dazu eine Prototypen-Version vor. Tests mit dem US-Partner Argo AI laufen, ehe ab 2025 dann ein Serienbetrieb angepeilt wird. Zum Beispiel sollen Robotertaxi-Dienste die selbstfahrenden Bullis nutzen. Auch der Shuttle-Service Moia wird künftig in das Modell einbezogen, noch ist dort eine umgebaute E-Variante des Crafter im Einsatz. Später sollen Privatkunden und Logistiker die Technik verwenden können.
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Ein Hauptziel: Unfälle verringern und idealerweise verhindern. Über Argo kooperiert VW auch mit Ford, gemeinsame E-Modelle sind geplant. Konzernchef Herbert Diess sagte: „Wir rechnen bis 2030 damit, dass wir Flottenbetriebe sehen werden und auch Privat-Pkw, die streckenweise autonom fahren. Es kann ein bisschen früher sein, es kann ein bisschen später sein.“ Ein für Ende dieses Jahres angestoßenes Projekt zur Fußball-WM in Katar mit 35 selbstfahrenden Elektro-Shuttles wurde jedoch vorerst gestoppt.
Der ID.Buzz soll neben seiner Bestimmung als „wichtige Säule in der Elektro-Offensive“ (Diess) also Schrittmacher für das autonome Fahren werden. Außerdem will der Konzern mit ihm seine Öko-Anstrengungen ins Schaufenster heben. „Treiber dieser Entwicklung sind nicht nur strengere Emissionsvorgaben, sondern auch das wachsende Bewusstsein für Umwelt und Nachhaltigkeit“, hieß es vor der Präsentation.
ID.Buzz: Recycelte Plastikflaschen wurden im Material verarbeitet
Das kommt – abgesehen vom rein batterieelektrischen Antrieb – in der Nutzung recycelter Materialien etwa aus Plastikflaschen zum Tragen. VWN verzichtet im ID.Buzz zudem auf Tierstoffe wie Leder. Stattdessen sind Sitzbezüge und Innenausstattung aus neuartigen Kunststoffen.
Nach dem „Green Deal“ der EU passte VW seine Klimaziele an. Bis zum Ende dieses Jahrzehnts soll der durchschnittliche CO2-Ausstoß bei der Kernmarke VW Pkw in Europa um 40 Prozent abnehmen. Der Gesamtkonzern strebt bis 2030 – ebenfalls bezogen auf das Basisjahr 2018 – eine Senkung um 30 Prozent an. Umweltschützer kritisieren allerdings, dass Volkswagen keine fest definierten Daten zum Verbrenner-Ausstieg nennt, so wie einige andere Hersteller und Länder dies formulierten.
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Auch eine Lieferwagen-Version des ID.Buzz bietet VWN an. Das könnte hausinterne Konkurrenz zum T-Transporter schaffen. Andererseits spielte bereits der alte Bulli als Handwerkerfahrzeug eine wichtige Rolle dabei, das Auto zum Brot-und-Butter-Modell zu machen – für manch einen vergleichbar mit dem Käfer oder dem Golf der Kernmarke.
Der Markt ist umkämpft, vor allem Franzosen und Japaner mischen mit ihren Kastenwagen im weltweiten Boom der Paket- und Lieferdienste kräftig mit. Entsprechend will VWN wohl auch die Geschäftskunden mit einem Interieur ködern, „das Stilelemente aus der T1-Generation aufnimmt und in die heutige Ära der Elektromobilität transferiert“.
VW: Auch E-Camper-Mobil geplant
Die Investitionen von Europas größter Autogruppe über die kommenden fünf Jahre sind beträchtlich. Allein in die Themen Elektrifizierung und Digitalisierung fließt konzernweit eine hohe zweistellige Milliardensumme. In Hannover sollen außer den neuen VWN-Fahrzeugen bald verschiedene Varianten eines Oberklasse-SUV mit eigener Software hinzukommen. Den ab 2025 vorgesehenen „Tesla-Fighter“ setzt primär Audi um, Porsche zieht sich wegen abweichender Plattformpläne zurück. Einen Teil der freiwerdenden Kapazitäten sollen ein E-Camper-Mobil (Arbeitstitel: „ID.California“) und Ableger des Multivans ausfüllen.
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Modelle wie der ID.Buzz verändern auch die Produktion und Arbeit der Beschäftigten: Der VWN-Stammsitz wird, wie Zwickau und Emden sowie Teile des US-Werks Chattanooga und Fabriken in China, ganz auf die Fertigung von E-Autos umgestellt. „Es ist ein Riesensprung für die Kollegen, aber eben auch ein Rationalisierungsschub, der bisher seinesgleichen sucht“, sagte Produktionsvorstand Josef Baumert. Beim ID.Buzz werden teils bis zu 90 Prozent Automatisierungsgrad erreicht. (dpa/mp)