Gigantischer Abriss: Einer der größten Atommeiler geht vom Netz
Ende des Jahres geht das Kernkraftwerk Grohnde bei Hameln vom Netz. Bis das Kraftwerk abgebaut ist, wird es aber noch Jahre dauern. Für Betreiber und Mitarbeiter ist das ein logistischer Kraftakt – und ein langsamer Abschied.
Noch sieht es auf dem Gelände des Kernkraftwerks Grohnde in Emmerthal 40 Kilometer südlich von Hannover nicht so aus, also würde hier bald eine große Baustelle entstehen. Lediglich ein paar Bauzäune und eine Halle, die vor dem Reaktorgebäude aufgebaut wird, deuten an, dass bei dem Kraftwerk im Landkreis Hameln-Pyrmont bald alles anders wird.
Kernkraftwerk Grohnde geht nach 36 Jahren vom Netz
Nach 36 Jahren Leistungsbetrieb geht das Kernkraftwerk Grohnde Ende des Jahres vom Netz. Die Stilllegung ist Teil des 2011 beschlossenen Atomausstiegs in Deutschland. Der Betreiber Preussenelektra rechnet damit, dass allein der nukleare Rückbau rund 15 Jahre dauern wird. Dann schließen sich noch rund zwei Jahre für den Abbruch der Gebäude an. Das Kraftwerk, 1985 in Betrieb genommen, gehörte nach Betreiberangaben mehrfach zu den erzeugungsstärksten Kernkraftwerken weltweit.
„Der Rückbau eines Kernkraftwerks unterscheidet sich stark von dem Abriss anderer Industrieanlagen, weil wir es mit Gebäudeteilen zu tun haben, die im Austausch mit radioaktiven Stoffen stehen“, erklärt der künftige Rückbauleiter Dominik van Meegen, der seit fünf Jahren in die Planungen eingebunden ist. „Jedes einzelne Dübelloch, jede einzelne Fuge im Beton muss beim nuklearen Rückbau hinsichtlich einer möglichen Kontamination freigegeben werden“, sagt er.
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Der Abbau erfolge von innen nach außen, erklärt van Meegen: Zunächst konzentrieren sich die Arbeiten auf den Abbau der Anlagenteile im Inneren des sogenannten Kontrollbereichs, dem Herzen des Kraftwerks. Die hochradioaktiven Brennelemente befinden sich im Abklingbecken und werden kampagnenweise in Castoren verladen und in ein Zwischenlager auf dem Kraftwerksgelände überführt.
Rund 20.000 Tonnen Gebäudematerial – Apparaturen, Aggregate, Beton und Metallschrott – müssen demontiert und unter strengen Auflagen aus dem Kontrollbereich herausgebracht werden. Man gehe davon aus, dass rund ein Viertel davon tatsächlich als schwach- und mittelradioaktiver Abfall endgelagert werden müsse.
Grohnde: Wie sicher wird radioaktives Material entsorgt?
Umfangreiche Regelwerke und Vorschriften geben dabei genau vor, wie sich die Mitarbeiter beim Abbau bewegen und welches Werkzeug sie verwenden dürfen, erklärt van Meegen. In der Halle, die derzeit auf dem Gelände entsteht, sollen die Materialien letztmalig gemessen werden. Die abgebauten Anlageteile sollen so bearbeitet, gereinigt und verpackt werden, dass diese teilweise in den Wertstoffkreislauf zurückgeführt werden können.
Der Rückbau eines Kernkraftwerks wirft unweigerlich auch Fragen der Entsorgung von radioaktivem Material auf. Dafür ist in Deutschland der Staat verantwortlich. Britta Kellermann, Grünen-Politikerin im Landkreis Hameln-Pyrmont und Teil der der „Regionalkonferenz AKW Grohnde abschalten“, sorgt sich unter anderem um die geplante Endlagerung der schwach- bis mittelradioaktiven Abfälle im Schacht Konrad, einem stillgelegten Eisenerz-Bergwerk im Stadtgebiet Salzgitter.
Der Standort sei Anfang der 80er Jahre ausgewählt worden und es gebe „große Zweifel“ daran, ob die Sicherheitsstandards noch dem heutigen Stand von Wissenschaft und Technik entsprächen. Dies sei nie überprüft worden. Die Bundesregierung müsse das bei der aktuell laufenden Überprüfung der sicherheitstechnischen Anforderungen für das Endlager Konrad berücksichtigen. Kritisch sieht Kellermann auch die mögliche Nutzung des Ausweichlagers Würgassen in Nordrhein-Westfalen. „Vielleicht brauchen wir auch einen Stop der Rückbaupläne, eine Art Moratorium, bis diese Fragen geklärt sind“, so Kellermann.
Bei der andauernden bundesweiten Suche nach einem Endlager für hochradioaktiven Müll wünscht sich Kellermann eine transparentere und für Laien verständliche Kommunikation, welche Standorte begutachtet würden und warum. „Die Menschen müssen wissen, dass ihre Region gerade Suchgebiet ist und was ein Endlager für das Leben und die Sicherheit der Menschen vor Ort bedeuten würde.“
Bei Hamburg: Kraftwerk-Rückbau in Stade läuft seit 2005
Deutschlandweit sind nur noch sechs Kernkraftwerke in Betrieb. Neben Grohnde gehört in Niedersachsen das Kernkraftwerk Emsland dazu. Bis Ende 2021 werden Grohnde, Gundremmingen C und Brokdorf abgeschaltet, bis Ende 2022 folgen mit Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2 auch die letzten deutschen Kernkraftwerke.
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Das Preussenelektra-Kraftwerk in Stade befindet sich bereits seit 2005 im Rückbau und nahezu in der Endphase. Die Kernkraftwerke Unterweser und Grafenrheinfeld sind mitten im Rückbau – in Grohnde greift man gerne auf die Erfahrungen dort zurück. Noch aber wartet Preussenelektra auf die notwendige Rückbaugenehmigung des Umweltministeriums. Bereits 2017 hat das sehr umfangreiche Genehmigungsverfahren begonnen.
Bisher waren im Kernkraftwerk Grohnde rund 500 Menschen beschäftigt, davon etwa 300 von Preussenelektra. Während des Rückbaus werde diese Zahl schrittweise zurückgehen, erklärt Unternehmenssprecherin Almut Zyweck. Mit den einzelnen Rückbauschritten veränderten sich die Kompetenzen, die am Kraftwerk benötigt würden. Man binde die Belegschaft umfassend ein und habe frühzeitig Perspektiven aufgezeigt, heißt es beim Unternehmen.
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„Viele Menschen in der Organisation kennen nur den Leistungsbetrieb und es ist eine riesengroße Herausforderung, die Menschen mitzunehmen und auf die bestehenden Aufgaben und diese Umwandlung vorzubereiten“, schildert van Meegen diesen Prozess.
„Schade“, dass Kraftwerk in Grohnde vom Netz geht
Dass das Kernkraftwerk Grohnde abschalten muss, macht den einstigen Schichtingenieur und Revisionsleiter van Meegen auch ein wenig nachdenklich. „Sicherlich ist es irgendwo schade, dass man so eine tolle Anlage, die funktioniert und weiter betrieben werden könnte, abschaltet, aber so ist eben im Atomgesetz festgeschrieben – und diesen Job machen wir. Es ist jetzt eine neue Zeit und es ist auch eine spannende Herausforderung.“