Im Norden: Diese Frau hat ein eigenes Wahllokal im Keller
Laufband, Crosstrainer und Bügelbrett müssen raus. Bei den Kommunal- und Bundestagswahlen wird der Keller von Dagmar Müsing in Buchholz in der Nordheide zum Wahllokal.
Dagmar Müsing ist morgens um acht ihre erste Wählerin – sie muss dafür nur in den Keller hinabsteigen. Seit etwa 20 Jahren – genau weiß die 65-Jährige es selbst nicht mehr, ob 1996 oder 2001 ihr erstes Mal war – richtet sie im Untergeschoss das kleine Wahllokal in Buchholz in der Nordheide ein.
Wie viele Nachbarn am Sonntag zur Kommunalwahl kommen werden, kann sie dieses Mal schlecht einschätzen. „Bei der letzten Bundestagswahl waren es so um die 300, dieses Jahr ist es nicht vorauszusehen, weil viele die Briefwahl nutzen“, sagt die ehemalige Postbankangestellte.
Buchholzerin räumt ihren Keller für die Wahlen leer
Zwischen alten Schrankwänden wird wegen der Corona-Abstandsbestimmungen nur eine Wahlkabine in dem ungewöhnlichen Lokal stehen. Zuvor muss sie den Keller, der einen eigenen Eingang hat, leerräumen. Zum Abtransport von Laufband, Crosstrainer und Stepper kommt eine Firma, Bügelbrett und Tisch trägt sie selbst heraus. Sie hat einige Medienanfragen – ihr Wahllokal fast mitten im Wald ist schon besonders.
Normalerweise trainiert Müsing im Keller vor dem Fernseher oder bügelt Wäsche. Nach Rücken- und Knieproblemen pausiert sie derzeit. Sie engagiert sich gern, weil die Wähler in der Nachbarschaft sonst zu weite Wege in Kauf nehmen müssten. Die Aufwandsentschädigung ist klein, aber das stört sie nicht.
„Das ist eine bürgernahe Lösung“, bestätigt Birgit Diekhöner von der Stadt Buchholz. Wahllokale auf dem Land zu finden, sei nicht ganz leicht. 30 gibt es in und um die Stadt mit den 40.000 Einwohnern. Mit Wahlhelfern sei man insgesamt ganz gut bestückt. Für das Wahllokal von Müsing hätten sich bereits fast ein Drittel Briefwähler registriert.
Wahlkabine in Buchholz: Für die Nachbarschaft gibt es Kuchen
Gearbeitet wird in zwei Schichten, Dagmar Müsing backt sogar Kuchen für Helfer und Nachbarschaft. „Die hier wohnen, wissen, dass ich backe. Man sieht die Leute, die man sonst nicht sieht“, berichtet sie. Im Bezirksamt laufe das Prozedere kurz und schmerzlos ab, in ihrem Keller blieben manche etwas länger.
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Barrierefrei ist das Mini-Wahllokal allerdings nicht. „Wenn jemand mit einem Rollstuhl kommt, müssen wir die Wahlkabine die Treppe hochtragen“, erzählt die Buchholzerin. Das sei bisher aber nur einmal vorgekommen. Der Wahlvorsteher in ihrem Haus ist ein Nachbar – gemeinsam wird abends per Hand ausgezählt. Und bis zur Bundestagswahl am 26. September bleiben die Fitnessgeräte draußen – zweimal will sie nicht umräumen. (dpa/mp)