Keine Karibik, keine Fjorde: Corona: Die Mega-Krise bei den Kreuzfahrt-Königen
Papenburg –
Keine Karibik, keine Fjorde – Corona hat die Traumschiff-Branche hart getroffen. Wann es wieder Kreuzfahrten gibt, ist ungewiss. Das bringt den größten deutschen Schiffbauer in Not.
Die Meyer-Werft mit ihren gigantischen Kreuzfahrtschiffen ist in schwere See geraten. In der Corona-Pandemie steht der Kreuzfahrttourismus still. Ein Neubeginn kann nur in kleinen Schritten erfolgen, neue Schiffe braucht die Branche vorerst nicht. In den langen Dockhallen der Werft in Papenburg an der Ems liegen aber drei halb fertige Ozeanriesen. Seit Anfang Mai herrscht Kurzarbeit. Seniorchef Bernard Meyer hat einen Jobabbau angekündigt.
Meyer-Werft blickt in eine ungewisse Zukunft
In den kommenden fünf Jahren muss das Unternehmen nach Angaben der Geschäftsleitung 1,2 Milliarden Euro sparen. Mit der Landesregierung von Niedersachsen wird über Staatshilfen beraten. Was die kommenden Monate bringen, weiß die Werft nicht. „Wir fahren auf Sicht“, sagt Sprecher Peter Hackmann.
Bekannt ist die Meyer-Werft für die spektakulären, aber ökologisch umstrittenen Überführungen ihrer Traumschiffe auf der schmalen Ems zur Nordsee. Bunte Hochhäuser gleiten dann vorbei an Deichen, Kühen und Schafen. Technologisch sei Meyer im Bau von Kreuzfahrtschiffen Weltspitze, sagt der Schifffahrtsexperte Ulrich Malchow. „Selbst ein Flugzeugträger ist nicht so komplex wie ein Kreuzfahrtschiff.“
Staatshilfe der nächste Schritt nach Kurzarbeit?
Malchow sieht die derzeitige Marktlage der Werft als eine „komplette Katastrophe“ mit Auswirkungen auf die gesamte deutsche Branche. „Wenn die Meyer-Werft fällt, ist der deutsche Schiffbau volumenmäßig fast nicht mehr existent“, sagt der ehemalige Professor für maritime Wirtschaft. Nicht nach Wert, aber nach Tonnage bestreitet Meyer jährlich etwa 70 Prozent des Schiffneubaus in Deutschland.
Dabei war zum 225-jährigen Jubiläum des Familienunternehmens Ende Januar die Welt noch in Ordnung. 2019 hatte Meyer erstmals drei Kreuzfahrtschiffe abgeliefert. 2020 sollten es wieder drei werden. Dann kam Corona. Nach ersten Infektionen in der Belegschaft im März wurde der Betrieb umgestellt und entzerrt, die Arbeitszeit verkürzt.
Viele Mitarbeiter in Quarantäne
Doch alle Vorsicht half nichts, als eine Person aus dem Meyer-Management Mitte Mai ein Lokal in Moormerland im Landkreis Leer besuchte. Die Corona-Infektionskette aus diesem Restaurant zwingt bei Meyer derzeit viele Mitglieder von Geschäftsführung und Betriebsrat in Quarantäne. Ein Kabinenbrand auf einem Neubau vergangene Woche wurde zwar schnell gelöscht, zehrt aber ebenfalls an den Nerven.
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Um ein mögliches coronabedingtes Feststecken des Schiffes zu vermeiden, absolvierte der Neubau „Iona“ im März vorzeitig die Passage zur Nordsee. Letzte Innenarbeiten finden in Bremerhaven statt. Eine Testfahrt soll nach Rotterdam führen. Doch wann der britische Besteller P&O Cruises die „Iona“ übernehmen kann, ist unklar. Die Reederei beklagte zwar in einer Mitteilung die Verzögerung durch die Kurzarbeit bei Meyer. Doch auch ihr Betrieb ruht bis Ende Juli. Die Jungfernfahrt der „Iona“ in die norwegischen Fjorde wird derzeit für den 1. August angeboten.
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Aufmerksam werden in Papenburg alle Signale für einen Neustart der Kreuzfahrtbranche verfolgt. Die Schiffe von Tui liegen vorerst bis Ende Juni still. Aida Cruises, die US-Reederei Carnival und die britische Saga vertrösten Kunden bis zum 1. August. Absehbar werden sich Kreuzfahrten verändern, auch um das Infektionsrisiko beim Anlaufen verschiedener Länder und Häfen vermeiden. Für das Fachmagazin „fvw“ gilt „eine Kreuzfahrt, die nur aus Seetagen besteht, als wahrscheinlichste Lösung für den Neustart der Hochseekreuzfahrt“.
Wie lange müssen Urlauber noch auf Kreuzfahrten verzichten?
Mit einer Erholung des Marktes wird erst in einigen Jahren gerechnet. „Es wird weiterhin einen globalen Güteraustausch geben und auch weiter Kreuzfahrttourismus“, sagte Reinhard Lüken vom Verband für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) im Mai in Hamburg. Experte Malchow erwartet aber für die nächsten Jahre vorsichtige Kunden: „Bei der Wahl zwischen einem Ferienhaus im Schwarzwald und einer Kreuzfahrt in der Karibik ist doch klar, was die Leute machen.“
Diese Durststrecke will die Meyer-Werft überbrücken, indem sie ihre Aufträge über das Jahr 2023 hinaus streckt. Darüber werde mit den Kunden verhandelt, aber neue Festlegungen gebe es noch nicht, sagt Werftsprecher Hackmann. Kreuzfahrtschiffe kosten bis zu einer Milliarde Euro, die Finanzierung ist für die Werft und die Reedereien aufwendig. So scheint nur die Reihenfolge der Ablieferungen klar: Auf die „Iona“ folgt die „Spirit of Adventure“ für Saga, dann kommen die „Odyssey of the Seas“ für Royal Caribbean und die „Aida Cosma“.
Werden nun 1000 Mitarbeiter entlassen?
In dieser Lage fordern Betriebsrat und Gewerkschaft Klarheit über den Personalabbau. Sie verlangen, dass die Werft sich von Tausenden Werkvertragsbeschäftigten trennt, um die mehr als 3000 Arbeitsplätze der Stammbelegschaft in Papenburg zu retten. „Die Arbeitnehmerseite muss über die Auswirkungen informiert werden“, betont Thomas Gelder, der Bevollmächtigte der IG Metall für Leer und Papenburg, im Gespräch mit der dpa. „Um gemeinsam durch die Krise zu kommen, muss die Werft die Sozialpartnerschaft ernst nehmen.“
Zwar sorgen Bernard Meyer und seine Söhne für ihre Mitarbeiter, sie lassen sich als Familienunternehmer in sechster und siebter Generation aber nur ungern von außen hineinreden. Der Rechtssitz der Firmengruppe wurde 2015 nach Luxemburg verlegt – nach Werftangaben nicht, um Steuern zu sparen, sondern um einen Aufsichtsrat mit Mitbestimmungsrechten zu verhindern. Wenn die Werft Landeshilfen wolle, müsse sie nach Deutschland zurückkehren, fordert die Linke in Niedersachsen.
Ein Runder Tisch zur Lage der Werft hat unter Vorsitz des niedersächsischen Wirtschaftsministers Bernd Althusmann (CDU) Anfang Mai erstmals in Hannover beraten. Dabei sei es nicht um konkrete Hilfen, sondern um die „schwierige gesamtwirtschaftliche Lage der Branche“ gegangen, heißt es im Ministerium. Ein zweiter Termin soll folgen. (dpa)