Ein Mann springt in eine Menschenmenge
  • Mit Masken verkleidete und Kuhhörnern bewaffnete Männer des Vereins Borkumer Jungens stürzen sich am Abend in die Arme der Schaulustigen. (Archivbild)
  • Foto: picture alliance / dpa | Reinhold Grigoleit

„Null Toleranz!“ Polizei will Kuhhorn-Schläge auf Nordseeinsel unterbinden

Eine Tradition auf der Nordseeinsel Borkum sorgt bundesweit für Empörung und spaltet die Gemüter. Gehört Gewalt gegen Frauen zu dem Fest dazu? Was sich dieses Jahr ändern soll.

Seit Generationen feiert die Nordseeinsel Borkum den Nikolausbrauch „Klaasohm“, nach heftiger Kritik soll dieses Jahr alles anders werden: Die Veranstalter kündigten an, den „Brauch des Schlagens“ vollständig abzuschaffen. „Wir als Gemeinschaft haben uns klar dazu entschieden, diesen Aspekt der Tradition hinter uns zu lassen und den Fokus weiter auf das zu legen, was das Fest wirklich ausmacht: den Zusammenhalt der Insulanerinnen und Insulaner“, teilte der Verein Borkumer Jungens mit. 

Frauen berichten von Schlägen mit einem Kuhhorn

Auch die Polizei bereitet sich auf den Einsatz in der Nacht zum 6. Dezember vor. „Wir fahren eine Null-Toleranz-Linie“, betonte ein Sprecher der Polizei. „Gewalt wird nicht akzeptiert.“ Die Beamten kündigten an, das Gespräch mit den Veranstaltern und dem Ministerium zu suchen. Dabei soll es auch um das bisherige Verhalten der Einsatzkräfte im Zusammenhang mit dem Brauch gehen.


MOPO

Die WochenMOPO – ab Freitag neu und überall, wo es Zeitungen gibt!
Diese Woche u.a. mit diesen Themen:
Absurder Food-Hype: Die Dubai-Schokolade zum Selbermachen
– Unglaublich, aber wahr: Türcode 1234 – so einfach konnte ein Dieb einen Rettungswagen klauen
Krebs-Praxen in Not: Tausende Patienten bangen um ihre Behandlungen
– Nützt ja nix: Trotz trüber Weltlage gibt‘s hier Advents-Tipps aus der Redaktion
– Große Rätselbeilage mit jeder Menge Knobelspaß
20 Seiten Sport: Kuntz’ schwerster Job: So läuft die Trainer-Suche des HSV-Bosses & Boukhalfa über spätes Glück, schwierige Zeiten bei St. Pauli und Selbstzweifel
28 Seiten Plan7: „Vaiana“: Das zweite Abenteuer der Südsee-Heldin jetzt im Kino & Ausgeh-Tipps für jeden Tag


Ein Bericht des ARD-Magazins „Panorama“ über die Tradition hatte bundesweit für Entsetzen gesorgt. In dem Beitrag berichten Borkumerinnen und Borkumer anonym von aggressiven Übergriffen. Ein Team filmte im vergangenen Jahr, wie Frauen bei dem Fest auf der Straße von „Fängern“ festgehalten werden und ihnen die sogenannten Klaasohms mit einem Kuhhorn auf den Hintern schlugen.

Veranstalter und Bürgermeister distanzieren sich von Gewalt

„Wir verstehen die Kritik an den in der Reportage gezeigten Szenen und fühlen uns verpflichtet, weitere Veränderungen herbeizuführen.“ Das Schlagen mit Kuhhörnern sei in der Vergangenheit „und in Einzelfällen auch in den letzten Jahren“ Teil des Brauches gewesen, heißt es in der Stellungnahme. „Wir distanzieren uns ausdrücklich von jeder Form der Gewalt gegen Frauen und entschuldigen uns für die historisch gewachsenen Handlungen vergangener Jahre.“

Der Bürgermeister stärkt den Veranstaltern den Rücken. Die Videosequenz zeige ein Fehlverhalten einzelner Menschen und könne „keinesfalls als Beleg dafür herhalten, dass die Insel Gewalt toleriert, wie es der Bericht suggeriert“, teilte Jürgen Akkermann mit. „Heutzutage feiern Frauen, Männer und Kinder auf den Straßen, in den Lokalen und in den Häusern gemeinsam. Leider kommen aber positive Stimmen im Bericht nicht zu Wort.“

Jürgen Akkermann (parteilos), Bürgermeister der Stadt Borkum. dpa
Jürgen Akkermann (parteilos), Bürgermeister der Stadt Borkum.
Jürgen Akkermann (parteilos), Bürgermeister der Stadt Borkum.

Die Polizei ermutigt indes Frauen, denen bei dem Brauch Gewalt widerfahren ist, Strafanzeige zu stellen. „Wer Opfer geworden ist, sollte keine Angst haben“, betonte der Sprecher der Polizei. „Wir nehmen das sehr ernst.“ Delikte wie Körperverletzung oder gefährliche Körperverletzung verjähren demnach erst nach 20 bis 30 Jahren.

Worum es bei „Klaasohm“ geht

Nach Angaben des Regionalverbandes Ostfriesische Landschaft verkleiden sich junge, unverheiratete Männer mit Masken, Schafsfellen und Vogelfedern als sogenannte Klaasohms. Der Ausdruck «Klaas» geht demnach auf das niederländische Wort für Nikolaus zurück. Die Klaasohms begleiten dann einen als Frau verkleideten Mann, der sich als sogenannte Wievke mit Rock und Schürze wild gebärdet.

Unter Ausschluss der Öffentlichkeit kommt es dem Brauch zufolge zuerst in einer Halle zu einem rituellen Kampf, zu dem nur Männer zugelassen sind, die auf Borkum geboren wurden. Danach geht’s «unter Getöse von Haus zu Haus», beschreibt der Regionalverband.

Für Kinder gibt es Gebäck – für Frauen Schläge

„Junge Frauen, die sich in dieser Nacht aus dem Haus wagen, werden gefangen und mit einem Kuhhorn verhauen. Die Kinder aber werden gut behandelt und bekommen Moppen, ein hartes Honigkuchengebäck, geschenkt“, heißt es weiter. Höhepunkt sei ein Sprung der Klaasohms und der Wievke von einer meterhohen Säule in die Menschenmenge.

Das könnte Sie auch interessieren: „Panische Angst“: Insulanerin packt über schockierende „Tradition“ auf Borkum aus

Auf Borkum wird sich erzählt, dass der Brauch auf die Zeit der Walfänger zurückgeht. Die Männer seien am Jahresende zurück auf die Insel gekommen, nachdem sie monatelang auf See waren, und hätten mit dem Brauch klargemacht, dass nun wieder sie – und nicht die Frauen – das Sagen hätten.

Email
Share on facebook
Share on twitter
Share on whatsapp