Polizei holt russische Familie aus Kirchenasyl im Norden – Abschiebung
Eine russische Familie will in Deutschland bleiben und bekommt Kirchenasyl. Doch plötzlich steht die Polizei vor dem Gemeindehaus. Die Familie wird festgenommen und zum Flughafen gebracht.
Die Abschiebung einer russischen Familie, die Kirchenasyl im Landkreis Uelzen hatte, sorgt für Kritik. „Wir sind geschockt vom Vorgehen der Landesaufnahmebehörde. Der Zugriff und die Festnahme der Familie an einem Sonntag und die Missachtung des Kirchenasyls per se erschüttert und erschreckt uns zutiefst“, sagte der Pastor der Kirchengemeinde Bienenbüttel, Tobias Heyden, laut Mitteilung des Ev.-luth. Kirchenkreises Uelzen und der St.-Michaelis-Kirchengemeinde Bienenbüttel.
Polizei holt Familie aus Gemeindehauswohnung
Demnach verschaffte sich die Polizei mit einem Durchsuchungsbeschluss, der für das Gemeindehaus, das Pfarrhaus und alle zugehörigen Gebäude galt, am vergangenen Sonntag Zutritt zur Gemeindehauswohnung, in der die vierköpfige Familie untergebracht war. Polizeibeamte brachten die Familie zum Flughafen Köln/Bonn, von dort wurde sie nach Barcelona geflogen.
Das Innenministerium und die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen bestätigten die Abschiebung. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge habe die persönlichen Umstände jedes Familienmitgliedes geprüft, hieß es. Demnach lag kein Härtefall vor. Die zuständige Ausländerbehörde habe daher die Überstellung eingeleitet, Spanien habe die sogenannte Rückübernahme der Familie genehmigt.
Vater und Sohn sollten gegen die Ukraine kämpfen
Nach Angaben der Gemeinde waren die Eltern mit ihrem erwachsenen Sohn und ihrer 16-jährigen Tochter mit einem spanischen Visum auf der Durchreise in Deutschland bei Verwandten, als in ihrem Zuhause in Russland der Einberufungsbefehl für Vater und Sohn eintraf. Da sich die Männer nicht am russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine beteiligen wollen, beantragten sie in Deutschland Asyl.
Die Frau sei wegen der psychischen Belastungen schwer erkrankt und werde medizinisch behandelt. Dennoch habe das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag der Familie abgelehnt. „Als letzte Möglichkeit wandte sich die Familie an die Propstei und die Diakonie des Kirchenkreises Uelzen“, hieß es.
Tochter auf dem Gymnasium, Jobs für Vater und Sohn
Die Propstei und die Kirchenkreissozialarbeit des Kirchenkreises Uelzen hätten den Fall sorgfältig geprüft und das Kirchenasyl für sinnvoll erachtet. Als Gründe nannte die Gemeinde den Gesundheitszustand der Mutter, die positive Prognose zur Integration der Familie, Arbeitsangebote für Vater und Sohn und die gelungene Eingliederung der Tochter in den Schulbetrieb eines Gymnasiums. Das Kirchenasyl sei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ordnungsgemäß gemeldet worden.
Der Flüchtlingsrat Niedersachsen kritisierte die Abschiebung scharf. Seit 1998 hätten alle Landesregierungen aus guten Gründen auf ein gewaltsames Eindringen in Kirchenasylräume verzichtet. Die rot-grüne Landesregierung habe nun das Tabu gebrochen. Die Entscheidung sei vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge getroffen worden, doch die niedersächsische Landesaufnahmebehörde habe den Flug gebucht, den Durchsuchungsbefehl beantragt und die Kirchenasylräumung durchgesetzt. „Das Innenministerium hat es jederzeit in der Hand, Abschiebungen anzuordnen oder zu stoppen“, schrieb der Flüchtlingsrat.
Kein Recht auf Kirchenasyl
Das Innenministerium und die Landesaufnahmebehörde verwiesen darauf, dass sich Kirchengemeinden nicht auf ein „Recht auf Kirchenasyl“ berufen können. „Die staatliche Rechtsordnung kennt keine zum Staatsgebiet gehörenden Räume, in denen rechtlich gebotene Maßnahmen nicht durchgesetzt werden können“, teilten beide Behörden mit.
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Bei dem Fall handele es sich um einen sogenannten Dublin-Fall, die Personen seien über einen anderen EU-Mitgliedsstaat nach Deutschland eingereist und hätten dort bereits einen Asylantrag gestellt. Daher würde die Familie in den EU-Mitgliedsstaat überstellt, der für die inhaltliche Prüfung des Asylantrags zuständig sei, also Spanien.