Schnelles Netz und billige Miete: Der Co-Working-Trend im Hamburger Umland
Nicht immer ist Co-Working so preiswert wie im Wendland: Ein Büro kostet 120 Euro im Monat. Die neuen Projekte, die sich auch außerhalb der großen Städte etablieren, haben alle eins gemeinsam: das soziale Miteinander. Die meisten werden gefördert.
Im alten Postgebäude von Lüchow im beschaulichen Wendland hat Willi Lehnert seinen idealen Arbeitsplatz gefunden. Als Angestellter beim Verein Bündnis junge Landwirtschaft ist er auf vielen Höfen unterwegs, um junge Leute zu beraten. In seinem kleinen Büro im Coworking Postlab findet er die Ruhe zum konzentrierten Arbeiten. „Für mich bietet sich das an, ich arbeite an unterschiedlichen Orten. Hier habe ich die Infrastruktur technischer und sozialer Natur“, erzählt der 38 Jahre alte gebürtige Berliner. Mit 120 Euro inklusive DSL-Anschluss ist das Paket kostengünstiger als ein langfristiges Büro woanders.
Co-Working im Hamburger Umland
„Ich komme gern, um mich auch mit anderen auszutauschen“, sagt Lehnert. Zwar könne er auch mal die Tür schließen, um in Ruhe E-Mails und Telefonate wegzuschaffen, das Flurgespräch möchte er aber nicht missen. Er habe einige Leute aus anderen Bereichen kennengelernt, eine Kooperation mit einem Kameramann für ein gemeinsames Projekt ist angedacht. Eng getaktet ist sein Zeitplan, am frühen Nachmittag holt er die Kinder aus der Kita. Seit eineinhalb Jahren hat er sich im Postlab eingemietet, Homeoffice wäre für den Familienvater schwieriger.
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Seit es in Lüchow eine Versorgung mit Glasfaser gibt, ist die Nachfrage geringer geworden – doch das findet Michael Seelig, Vorstand der grünen Werkstatt Wendland, die das Haus betreibt, ganz angenehm. Sieben Einzelbüros gibt es im Kreativlabor, das sei in der Corona-Zeit gerade gut. „Über die Arbeit gibt es in der Kaffeeküche Schnittmengen“, berichtet der ehemalige Kunstlehrer. „Unser Alleinstellungsmerkmal ist, dass wir ohne öffentliche Förderung auskommen, das gibt es außerhalb der großen Städte sonst nicht.“
Coworking-Spaces im ländlichen Raum seien im ersten Schritt nicht dazu gedacht, sie als lukratives Geschäftsmodell zu betreiben, sagt Sven Heitmann von der Industrie- und Handelskammer Lüneburg-Wolfsburg. Das funktioniere meist nur in großen Städten. Ein gutes Beispiel für sinnvolle Förderung sei das Projekt in Winsen/Luhe, das die Kommune entwickelt habe und das in dem Coworking-Anbieter Freiraum Lüneburg einen privaten Träger gefunden habe. „Es muss einen strategischen Ansatz geben, nur ein vermieteter Arbeitsplatz bringt keinen Mehrwert“, betont Heitmann. Modelle mit gutem Internetanschluss, aber schlechter Verkehrsanbindung zum Beispiel hätten es schwer.
Co-Working: In ländlichen Gegenden kommt der Trend gerade erst an
In ländlichen Gegenden kommt der Trend aus den USA zum Miteinander-Arbeiten gerade erst an. In Uelzen und Bad Bevensen konnten im September solche Modelle kostenlos getestet werden. Das Konzept stellen der Landkreis und der Anbieter Coworkland. In Celle betreibt das „netzwerk Celle“ bereits einen Coworking-Space, jetzt sollen auch im Bahnhof Eschede moderne Arbeitsplätze entstehen.
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Im Tokunft Hus in Bücken im Kreis Nienburg kostet ein geschlossenes Mini-Office für Freiberufler, Kreative oder Start-ups 160 Euro. Das Core in Oldenburg soll sogar die Innenstadt beleben, im April wurde es auf den ehemaligen Verkaufsflächen des City Centers eröffnet – es gibt mehr als 2500 Quadratmeter für 140 bis 150 Arbeitsplätze. Für einen flexiblen Schreibtisch zahlt man im Monat 179 Euro, für einen festen Platz 298. Ein Café, eine Bar und mehrere Stände für Street Food laden zum Lunch ein, demnächst soll auch ein Fitnessstudio nebenan aufmachen.
Coworking kann die Produktivität steigern
„Das kreative Umfeld hat mich von Anfang an begeistert, es sind viele weitere Nutzer mit ähnlichen Interessen hier“, sagt der selbstständige Webdesigner Steve Downing aus London. Die Möglichkeit, für die Arbeit an einen Schreibtisch außerhalb der eigenen Wohnung zu gehen, steigere auch die Produktivität, findet er. Auf der Suche nach privaten Kontakten hat er Dennis Ritter im Core kennengelernt – mittlerweile sitzen sie an einer „Schreibtisch-Insel“.
„Zuhause hatte ich immer viel Ablenkung. Hier schaffe ich manchmal an einem Tag mehr als zuhause in einer ganzen Woche“, berichtet Fotograf Ritter, der zuvor am Küchentisch gearbeitet hat: „Wirklich produktiv war ich dort häufig nicht.“ Die zentrale Lage im Stadtzentrum hat ihn überzeugt. Er habe sich auch andere Büroräume angeschaut, „doch auch da ist man häufig alleine und lernt keine neuen Menschen kennen“.