Ein Angeklagter in Olive-grüner Strickjacke steht zwischen seinen Anwälten
  • Dem Angeklagten wird vorgeworfen, seine Mutter und seinen Stiefvater im Mai 2022 erstochen zu haben.
  • Foto: dpa | Moritz Frankenberg

Über 180 Mal zugestochen: Sohn soll Mutter getötet haben

Ende Mai werden die Leichen eines 59-Jährigen und einer 53-Jährigen in Neustadt am Rübenberge gefunden. Schnell gerät der Sohn der Getöteten ins Visier der Ermittler. Jetzt wird ihm der Prozess gemacht und die Anklage enthüllt nun erschreckende Details.

In Handschellen betrat der schlaksige Angeklagte aus Neustadt am Rübenberge am Mittwoch den Gerichtssaal vor dem Landgericht Hannover Die dunklen Haare kurzrasiert, bekleidet mit einer grünen Sweatshirt-Jacke und schwarzer Jogginghose. Während die Staatsanwältin die Anklageschrift vortrug, wirkte der 28-Jährige ruhig – trotz erschütternder Details. Er schüttelte lediglich mehrfach heftig den Kopf.

Aus angestauter Wut und Enttäuschung über unerfüllte Besitzansprüche soll er seine Mutter und deren neuen Ehemann getötet haben. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm heimtückischen Mord aus niedrigen Beweggründen vor. Beim Prozessauftakt schwieg der Angeklagte zunächst zu den Vorwürfen. Sein Verteidiger kündigte jedoch eine Erklärung für einen der kommenden Verhandlungstage an.

Neustadt am Rübenberge: Sohn soll Mutter getötet haben

Die getöteten Eheleute waren Ende Mai 2022 in ihrem abgelegenen Haus am Rande des Dorfes Hagen nordwestlich von Hannover entdeckt worden. Angehörige hatten die Polizei alarmiert, nachdem sie tagelang nichts von den beiden gehört hatten.

Laut Anklage soll der Sohn am 20. Mai durch ein Badezimmerfenster in das Haus eingestiegen sein, als das Paar beim Einkaufen war. Bei der Heimkehr des Paares soll er zunächst den Stiefvater angegriffen haben. Der 59-Jährige erlitt laut Anklage weit über mehr als 70 Stich- und Schnittverletzungen. Bei der getöteten 53 Jahre alten Mutter wurden 111 Verletzungen gezählt, insbesondere im Bereich von Brust und Gesicht.

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Der Anklage zufolge befand sich der mutmaßliche Doppelmörder im Mai in einer „immer weiter zuspitzenden Lebenssituation“. Er habe seit Monaten kein Bargeld mehr besessen, habe seinen Job verloren und keine Sozialleistungen beantragt, weil er die Corona-Maßnahmen nicht akzeptieren wollte, sagte die Staatsanwältin. Es habe auch Mietrückstände gegeben, es drohte Obdachlosigkeit.

Staatsanwaltschaft: „Wut und Enttäuschung über unerfüllte Besitzansprüche“

Ohne juristische Grundlage sei er davon ausgegangen, dass seine Mutter und deren neuer Ehemann ihn in ihrem Haus aufnehmen müssten, erläuterte die Vertreterin der Anklage. Weil er zuvor immer wieder ohne Vorankündigung und ohne Klingeln sich im Haus der Eheleute aufgehalten habe, habe das Paar ihm schließlich seinen Schlüssel abgenommen.

Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft sah der Sohn den Ursprung für den Streit in seinem Stiefvater. Weil sich seine Mutter auf die Seite des neuen Ehemannes schlug, hätten sich „Wut und Enttäuschung über unerfüllte Besitzansprüche“ in dem Angeklagten angestaut. Im Fall des Stiefvaters geht die Anklagebehörde auch von Heimtücke aus, weil der Mann nicht mit dem Angriff rechnen konnte. Die 53-Jährige und der 59-Jährige verbluteten. Der Sohn soll nach dem Verbrechen seine eigene Wunde am rechten Daumen versorgt und beide Haustüren abgeschlossen haben, um die Tat zu verdecken.

Urteil wird am 23. Februar erwartet

Zwei Geschwister und zwei erwachsene Kinder des getöteten Ehemannes treten im Prozess als Nebenkläger auf. Bei ihnen stehe die Frage nach dem Warum im Fokus, sagte der Rechtsanwalt der Nebenklage. Es handele sich um einen Tatvorwurf von „schrecklicher Brutalität“, um einen „massiven Gewaltausbruch“.

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Für den Prozess sind zehn Verhandlungstage angesetzt. Nach Angaben einer Gerichtssprecherin sind insgesamt 17 Zeugen und vier Sachverständige geladen. Darunter ist ein Psychiater, der ein Gutachten zur Schuldfähigkeit des Angeklagten verfassen wird. Das Urteil könnte nach derzeitiger Planung erst am 23. Februar 2023 verkündet werden.

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