Plötzlich Vorzeige-Chef! Seine Mitarbeiter machten aus ihm einen anderen Menschen
Um 4.15 Uhr klingelt der Wecker. In der Stille des Morgens beginnt der Tag im hauseigenen Zendo mit einer Meditation. Um 5.30 Uhr geht er mit Kaffee und Tee zu seiner Frau, bevor er eine halbe Stunde später die drei Kinder weckt. Bodo Janssen, 47, braucht diesen ruhigen Start in den Tag. Der Hotelunternehmer hat viel erlebt, wurde entführt, zum Schein hingerichtet, verlor früh seinen Vater und führte sich als Chef manchmal auf wie die Axt im Walde. Eine Befragung seiner Mitarbeiter öffnete ihm die Augen.
„Ich hatte damals schon ein sehr ausgeprägtes Ego“, erinnert sich Bodo Janssen, Chef der Hotelkette Upstalsboom, im Gespräch mit der MOPO. Er lacht dabei über sich selbst. Wenn Janssen an seine frühere Partyzeit zurückdenkt, bezeichnet er sich als „Hallodri“. Als junger Mann jobbte er als Barkeeper und Model, feierte viel. 2007 kam sein Vater bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Janssen musste plötzlich Verantwortung übernehmen – und machte vieles falsch. „Im Unternehmen war ich der klassische Chef, der mit hochgekrempelten Ärmeln wichtig durch die Flure lief und immer eine Antwort parat hatte“, erinnert sich der 47-Jährige aus Emden an die Zeit. Heute macht er es anders.
In Hamburg: Janssen wurde entführt
Das Unglück seines Vaters war nicht die erste Begegnung von Janssen mit dem Tod. Am 6. Juni 1998, während seines BWL- und Sinologie-Studiums in Hamburg, wurde er entführt. Das Verbrechen war von langer Hand geplant, der millionenschwere Vater Werner Hermann Janssen sollte erpresst werden. Zehn Millionen Euro oder der Sohn stirbt, so die Ansage der Entführer. Nach acht Tagen und acht Scheinhinrichtungen konnte Bodo Janssen befreit werden.
Die Reaktion des Filius? Er brach sein Studium ab und intensivierte sein Party-Leben. Erst seine jetzige Frau änderte die Fahrtrichtung: „Wir sind in der Juliusstraße auf der Schanze zusammengekommen“, sagt Janssen. Sie habe nicht den „Hallodri“ gesehen, sondern den echten Bodo – verletzbar und mit den „vergrabenen Erlebnissen im Schlepptau“.
Bodo Janssen: Mitarbeiter:innen kritisieren seine Führung
Drei Jahre nachdem Bodo Janssen die Unternehmensführung übernommen hatte, zog ihm eine Mitarbeiterbefragung den Boden unter den Füßen weg: „Ich fühlte Ohnmacht, Fassungslosigkeit und hatte das Gefühl missverstanden zu werden“, sagt Janssen. Am heftigsten war die Kritik an der Führung, also ihm selbst. „Die Mitarbeiter fühlten sich nicht geführt, es war die Rede vom Unternehmen der großen Geheimnisse“, sagt er. Ein Zitat aus der Umfrage: „Die Führungskräfte bekommen Zucker in den Arsch geblasen und wir dafür den Tritt in den Hintern.“
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Janssen machte sich Gedanken und las sich in das Thema Führung ein. Dabei stieß er auf Klosterseminare in Würzburg und lernte dort den bekannten Geistlichen und Autor Anselm Grün kennen. „Ich bin noch sehr naiv dort hingefahren und dachte, ich komme mit ein paar Tricks wieder zurück, wie mir die Mitarbeiter nicht mehr reihenweise weglaufen“, berichtet er. Doch statt einer Sammlung von Kniffen fand er die Suche nach sich selbst. Eineinhalb Jahre fuhr er von da an regelmäßig hin, lernte viel über sich selbst und begann aus seinen Lebenskrisen das Positive zu ziehen. Mit Grün schrieb Janssen später gemeinsam ein Buch.
Bodo Janssen: Im Kloster lernte er sich selbst kennen
Der 47-Jährige änderte sich und seine Art der Unternehmensführung. Vom Saulus zum Paulus, ein Chef auf Augenhöhe. Janssen implementierte vier Grundsätze in die Philosophie von Upstalsboom: 1. Führung ist eine Dienstleistung, kein Privileg. 2. Nur wer sich selbst führen kann, kann auch andere führen. 3. Reflexion ist produktiver als Aktion. 4. Nicht wer Antworten gibt führt, sondern wer Fragen stellt.
Nach und nach stand nicht mehr die Gewinnmaximierung, sondern das Wohlergehen und die Entwicklung der Mitarbeiter sowie soziale Projekte im Fokus des Unternehmens. Die Mitarbeiter sollen sich selbst verwirklichen können, so die Idee. Einige seiner Auszubildenden nahm er mit auf eine Expedition in die Arktis. Andere kochten für Menschen in Hospizen ihr Lieblingsessen. Erlebnisse schaffen, sich selbst kennenlernen.
Upstalsboom wird in eine Stiftung umgewandelt
Janssen baute ein Gesundheitszentrum auf und fing an, seine Mitarbeiter in allen Lebenslagen zu unterstützen, wie er berichtet. Die Stimmung im Unternehmen verbesserte sich, die Fluktuation und der Krankenstand gingen zurück, sagt Janssen: „Früher waren die Mitarbeiter nur Mittel zum Zweck, jetzt sind sie das Herz des Unternehmens.“ Im nächsten Schritt will er aus dem Gastgeber-Unternehmen eine Stiftung machen und so Menschen stärken – physisch, psychisch und sozial.
„Vor zehn Jahren war ich wie ein hektischer Boxer vor einem Kampf, heute ist eine kindliche Leichtigkeit zurück in meinem Leben“, sagt Janssen. „Ich höre mehr zu, anstatt zu reden. Ich stelle mehr Fragen, als zu antworten. Ich lerne nahezu täglich etwas von meinen Mitarbeitern. Erfolg ist nicht materiell, sondern ein Gefühl von innerer Ruhe und Gelassenheit.“ Und fängt bei Bodo Janssen morgens an. Um kurz nach 4 Uhr. Mit einer Meditation.