Landwirt Hauke Sierck will den Betrieb auf Hof Fuhlreit neu erfinden.
  • Landwirt Hauke Sierck will den Betrieb auf Hof Fuhlreit neu erfinden.
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Hühner im Wald, kein Dünger mehr: Wie ein Bauer im Norden seinen Hof umkrempelt

Der Pflug wird aus dem Gerätepark verbannt, für die Hühner wachsen Waldstreifen auf der Wiese. Kunstdünger und Pflanzenschutzmittel sollen bald nicht mehr nötig sein. Die Siercks aus Kropp erfinden ihre Landwirtschaft gerade neu.

Hunderte braune Hühner und ein paar weiße Hähne gackern und krähen, scharren und picken rund ums Hühnermobil auf der grünen Wiese. Hauke Sierck hat auf einer 2,5 Hektar großen Ackerfläche zwei Streifen mit verschiedenen Obstbäumen und heimischen Sträuchern gepflanzt. Schon bald sollen sie den Hühnern Schatten spenden, ihnen Schutz und Nahrung bieten. „Hühner sind Waldrandbewohner“, sagt der 29-Jährige.

So krempelt dieser Bauer seinen Hof um

Was der studierte Landwirt im Kreis Schleswig-Flensburg entwickelt, heißt Agroforst und ist der Anfang einer Reihe von Veränderungen, die er gemeinsam mit seinem Bruder und den Eltern, die ihren Hof Fuhlreit in Kropp im nächsten Jahr übergeben, umsetzen will. Auf zunächst weiteren sieben Hektar und später wahrscheinlich fast 20 Hektar (das ist die Größe von gut 25 Fußballfeldern) will Sierck Waldstreifen und Ackerbau kombinieren.

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Die Baum- und Strauchreihen werden in Nord-Süd-Richtung stehen, um die Ackerflächen nicht zu verschatten. Auf den je 36 Meter breiten Streifen sollen zum Beispiel Mischungen aus Futterpflanzen wachsen für die Kühe, Bullen und Mastochsen auf dem Hof. In den Gehölzstreifen sollen Pappeln, Weiden und Robinien wachsen, die alle fünf bis 15 Jahre geschlagen und zu Hackschnitzeln verarbeitet werden. Damit will der Landwirt den Hof mit Meierei und Verkaufsladen auf erneuerbare Energie umstellen. Noch werden große Mengen Öl und Flüssiggas verbrannt – und das ist ein Kosten- und Umweltproblem.

Sierck sieht einen weiteren Vorteil des Agroforsts. „Wir nehmen den Wind aus den Flächen.“ Auf der Geest am Rande der Eider-, Treene-, Sorgeniederung mit Sandboden ist das nicht unwichtig. Das schützt vor Austrocknung und Erosion. Der Verlust von Humus ist aus Sicht des Jungbauern, der sich unter anderem in Australien und Neuseeland praktische Erfahrungen geholt hat, ein großes Problem.

Der Eingang des Hofladens ist auf dem in Familienbesitz befindlichen Landwirtschaftsbetrieb Hof Fuhlreit zu sehen. Der Betrieb verkauft rund ein Drittel aller Erzeugnisse direkt an den Endkunden. picture alliance/dpa
Der Eingang des Hofladens ist auf dem in Familienbesitz befindlichen Landwirtschaftsbetrieb Hof Fuhlreit zu sehen. Der Betrieb verkauft rund ein Drittel aller Erzeugnisse direkt an den Endkunden.
Der Eingang des Hofladens auf dem Familien-Landwirtschaftsbetrieb Hof Fuhlreit. Der Betrieb verkauft rund ein Drittel aller Erzeugnisse direkt an den Endkunden.

Mit der Umstellung auf regenerative Landwirtschaft sollen die Böden vitaler und fruchtbarer werden, Humus akkumulieren und damit zum Abbau von Kohlendioxid aus der Luft beitragen. Es werden mit den Jahren immer weniger Mineraldünger und Pflanzenschutzmittel benötigt. „Man macht den Boden wieder zu dem, was er ist, zu einem lebenden Organismus.“ Auf Erträge muss er dabei nach eigener Einschätzung nicht verzichten. Was der Boden an Nährstoffen abgibt, bekommt er von den Tieren als Dünger zurück.

Hof Fuhlreit wird kein Biohof

Zu einem Biohof soll der Hof Fuhlreit aber nicht werden, sagt Sierck. Das würde neue bürokratische Hürden aufbauen und ihm Handlungsmöglichkeiten nehmen. Das Ziel sei, auch ohne Biosiegel in fünf Jahren ohne Kunstdünger und chemischen Pflanzenschutz auszukommen.

Hauke Sierck, Landwirt, will auf dem Hof auch ohne Biosiegel in fünf Jahren ohne Kunstdünger und chemischen Pflanzenschutz auskommen. picture alliance/dpa
Hauke Sierck, Landwirt, will auch ohne Biosiegel in fünf Jahren ohne Kunstdünger und chemischen Pflanzenschutz auskommen.
Landwirt Hauke Sierck will auf dem Hof auch ohne Biosiegel in fünf Jahren ohne Kunstdünger und chemischen Pflanzenschutz auskommen.

Was regenerative Landwirtschaft konkret bedeutet, zeigt der Bauer auf einem Feld, das ziemlich zertrampelt aussieht. Dort wuchs im Sommer eine bunte Mischung verschiedener Pflanzen, darunter Klee und Leindotter. „Da haben wir die Ochsen reingeschickt.“ Die Tiere haben gefressen, was ihnen schmeckte und doch einige Reste übriggelassen. Dieses unaufgeräumte Feld ist für den Winter bereit. Die noch stehenden Pflanzenreste halten eine Schneedecke fest – wenn es denn schneit. Im Frühjahr wird der Boden für die nächste Saat nur wenige Zentimeter tief bearbeitet. Gepflügt wird nicht mehr.

„So muss ein Boden riechen“

„Das schlimmste, was man dem Boden antun kann, ist, ihn offen liegen zu lassen“. Deshalb arbeitet Sierck mit Zwischenfrüchten oder sät unter eine Frucht eine andere, die noch einmal loslegt, wenn oben geerntet ist. Zurück bei den Hühnern reißt der 29-Jährige ein Büschel Gras aus der Wiese und steckt die Nase fast in den schwarzen Humus: „So muss ein Boden riechen.“ Erdig, würzig, frisch, wie Waldboden.

Der Bauer ist überzeugt von den Veränderungen, mit denen seine Eltern schon vor Jahren begonnen haben. Seine Mutter organisiert die Eigenvermarktung im Hofladen. Das sei ein ganz wichtiges wirtschaftliches Standbein, sagt Sierck. Die Milch der fast 100 Kühe wird in der eigenen kleinen Molkerei zum Beispiel zu Trinkmilch, Butter und Sahne verarbeitet. Käse lassen sie aus der restlichen Milch auswärts herstellen. Das selbst zu machen, wäre noch einmal eine sehr große Investition.

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Nach Kenntnis der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein setzen im Norden noch nicht viele Betriebe auf Agroforst. Interessant sei, dass Agroforst als Maßnahme in die EU-Ökoregelung 2023 aufgenommen wurde, sagt Abteilungsleiter Enno Karstens. „Von daher wird es auch von der Politik als positiv eingeschätzt.“

Agroforst im Norden

Ob sich die Umstellung für Landwirte wirtschaftlich lohnt, werde stark von der Förderung abhängen, sagt Karstens. Bei Agroforst gehe es immer um langfristige Aspekte. „Darum ist eine Anschubfinanzierung auch über Förderung geboten aus meiner Sicht.“ Agroforst sei eine Möglichkeit, auf gesellschaftliche Anforderungen an die Landwirtschaft zu reagieren. „Aber es soll sich unter dem Strich rechnen.“

Die Bodenfruchtbarkeit sei ein wichtiges Thema der Landwirtschaft, sagt Karstens. „Der Humuserhalt ist eine der zentralen Herausforderungen, vor denen wir stehen.“ Darauf reagiere die Politik, indem sie zum Beispiel Feuchtgebiete und Moore unter einen besonderen Schutz stelle.


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Aus Sicht des Landwirtschaftsministeriums ist Agroforst ein vielversprechender Baustein für die Landwirtschaft. „Agroforstsysteme bieten viele Vorteile für den Natur-, Landschafts- und Klimaschutz und leisten einen wichtigen Beitrag zur Klimaanpassung in der Landwirtschaft“, teilte Ministeriumssprecher Patrick Tiede mit. Sie trügen außerdem zur Diversifizierung landwirtschaftlicher Betriebe und damit zur Streuung des betriebswirtschaftlichen Risikos bei.
Das Interesse an Agroforst in Schleswig-Holstein sei derzeit aber noch eher gering. Grund sei, dass in Schleswig-Holstein die zur Verfügung stehenden landwirtschaftlichen Flächen in der Regel intensiv genutzt würden. Außerdem seien schon viele Felder von Wallhecken (Knicks) umgeben, die sich positiv auf die Bewirtschaftung auswirken.
Derzeit gibt es nach Angaben des Ministeriums kein spezielles Förderangebot. Es sei für die nächste Förderperiode auf Bund-Länder-Ebene im Gespräch.

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