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Ein Wolf läuft in einem Wildpark durch sein Gehege.
  • Ein Wolf wurde erstmals auf der ostfriesischen Nordseeinsel Norderney gesichtet. (Symbolbild)
  • Foto: picture alliance/dpa/Philipp Schulze

Jäger über Wolf auf Nordseeinsel: „Keine Panik, das wird ihm da zu wuselig“

Wölfe können weite Strecken zurücklegen – das ist bekannt. Nun wurde ein Raubtier auf Norderney fotografiert. Experten haben eine Vermutung, wie es auf die ostfriesische Insel kam.

Von der Beobachtungshütte am Südstrandpolder der Insel Norderney lässt sich vieles entdecken, was der Nationalpark Wattenmeer zu bieten hat. Radfahrer und Ausflügler machen Halt, um etwa Reiher, Enten, Brandgänse und Löffler bei ihrer Rast in dem von der Nordsee abgetrennten Gewässer zu beobachten. Seit dem Wochenende ist die Hütte im Grünen und das angrenzende Vogelschutzgebiet aber Anlaufpunkt für Neugierige, die bei sommerlichem Wetter einem ganz anderen Tier auf der Spur sind – einem Raubtier. Denn erstmals wurde auf Norderney ein Wolf gesichtet, wie die Nationalparkverwaltung mitteilte. Es ist die erste Sichtung auf einer niedersächsischen Insel überhaupt.

Wolf-Sichtung: „Keine Panik“

Eine Rangerin des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer hatte Aufnahmen einer Wildtierkamera überprüft und dabei Ungewöhnliches entdeckt. Experten des landeseigenen Wolfsbüros nahmen sich der Aufnahmen an und kamen zu dem Ergebnis: Fotos vom 6. und 20. Juni zeigten einen Wolf, laut den Experten wahrscheinlich ein Rüde. 

Das Vogelschutzgebiet Südstrandpolder auf Norderney: Eine Wildtierkamera hat in dem Gebiet einen Wolf fotografiert. picture alliance/dpa | Volker Bartels
Eine Beobachtungshütte im Vogelschutzgebiet Südstrandpolder an der Südseite der ostfriesischen Insel Norderney.
Das Vogelschutzgebiet Südstrandpolder auf Norderney: Eine Wildtierkamera hat in dem Gebiet einen Wolf fotografiert.

Jäger und Behörden warnen nun vor einer möglichen Hysterie. „Der Wolf meidet die Nähe des Menschen. Keine Panik“, sagte Gernold Lengert, stellvertretender Vorsitzender der Jägerschaften im Bezirk Ostfriesland, am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Bei einer möglichen Begegnung mit einem Wolf gelte, „Abstand halten, keine Hysterie auslösen“. Es sei auch möglich, sagte Lengert, dass der Wolf die Urlaubsinsel inzwischen längst wieder verlassen habe – aus Mangel an Nahrung oder wegen des Trubels. „Das wird ihm da zu wuselig sein auf Norderney.“

Norderneys Kurdirektor Wilhelm Loth warb für Gelassenheit. „Man kann beruhigt auf der Insel Urlaub machen, wie es auch in anderen Destinationen möglich ist, in denen Wölfe bereits heimisch sind“, sagte er. 

Wolfssichtung kommt zum Start der Hochsaison 

Denn die Meldung vom gesichteten Wolf trifft die Urlaubsinsel Norderney pünktlich zum Start der langen Sommerferien in Niedersachsen. Jetzt beginnt die Hochsaison im Tourismus an der Küste und auf den Ostfriesischen Inseln. Tausende Urlauberinnen und Urlauber sind schon auf der Insel, viele weitere werden in den kommenden Wochen noch erwartet. 

Das Gebiet, in dem der Wolf gesichtet wurde, liegt nicht allzu weit vom östlichen Stadtrand Norderneys entfernt. Die Sichtungen gab es bisher nur im Nationalpark, nicht im Bereich der Siedlung. Bislang habe es keine Risse oder weitere Sichtungen gegeben, sagte Jan Wagner, Sprecher der Nationalparkverwaltung. Auch Spuren oder Kot seien nicht gefunden worden. 

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Wölfe sind schon seit Längerem an der niedersächsischen Küste unterwegs. Das zeigen auch Risse an Nutztieren wie Deichschafen, die immer wieder vorkommen. Dass Wölfe auch auf Inseln gesichtet werden könnten, sei „immer im Bereich des Möglichen“, teilte die Nationalparkverwaltung mit. „Eine dauerhafte Ansiedlung von Wölfen dort ist unwahrscheinlich, da die Inseln dafür zu klein sind.“

Wie der Wolf auf die Insel gekommen ist

Jäger und Experten des Nationalparks gehen davon aus, dass das Tier über das Watt bei Niedrigwasser vom Festland aus auf die Insel gekommen ist. Von einer Stelle im Landkreis Aurich am Festland nach Norderney sind es Luftlinie etwa vier Kilometer. „Dass der da rüberwandert, ist keine Überraschung“, sagte Jäger Lengert. „Der wandert dem Damwild nach. Das Damwild wechselt auch zwischen den Inseln und dem Festland hin und her.“ Diese Einschätzung gibt auch die Nationalparkverwaltung. Dass der Wolf vom Menschen auf die Insel gebracht wurde, hält Lengert für ausgeschlossen. „Ausgesetzt? Never!“

Offen ist nun, wie weiter mit dem Tier umgegangen werden soll. „Ein Wolf auf einer Urlaubsinsel dürfte für alle Beteiligten eine ganz neue Herausforderung darstellen und wird auch von der Stadt Norderney als Problem angesehen, dem angemessen begegnet werden muss“, teilte die Stadtverwaltung der Insel mit. Nachdem es auf dem ostfriesischen Festland schon Wolfssichtungen und Risse gegeben habe, sei es „nur eine Frage der Zeit“ gewesen, bis ein Wolf auch den Weg über das Watt auf die Nordseeinsel finden würde. 

Für den Wolf gilt ein strenger Naturschutz – auf dem Festland, wie auf einer Insel. Die Tiere dürfen nur mit einer behördlichen Ausnahmegenehmigung unter strengen Voraussetzungen geschossen werden.

Ministerium sieht derzeit keinen Handlungsbedarf

Solang sich der Wolf nicht auffällig verhalte, gebe es aktuell keinen Handlungsbedarf, teilte das Umweltministerium in Hannover am Montag auf Anfrage mit und verwies auf eine entsprechende Einschätzung des Wolfsbüros. Über ein weiteres mögliches Vorgehen, wollten sich die Nationalparkverwaltung, die Stadt Norderney, der Landkreis Aurich und das Umweltministerium abstimmen, hieß es. 

Anlass zur Entwarnung sehen Jäger in Ostfriesland nicht. „Meiner Meinung nach muss er entnommen werden, weil er schädlich ist“, sagte Lengert. Der Wolf löse Verunsicherung aus. Außerdem gehe eine Gefahr von dem Tier aus, sollte es in die Enge getrieben werden. „Wir müssen einfach lernen, mit dem Wolf umzugehen. Das ist jetzt etwas Normales.“

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Jäger und Weidetierhalter aber auch Küstenschützer sehen die Ausbreitung von Wölfen in Regionen bis an die Nordsee sei Längerem kritisch – auch weil sie die Weidetierhaltung mit Schafen insbesondere an Deichen mit dem Wolfsschutz für kaum vereinbar halten. „Die Landkreise an der Küste müssen wolfsfrei sein“, sagte Lengert und erneuerte damit eine Forderung der zehn niedersächsischen Küstenjägerschaften zwischen Emden und Stade. Küstenschutz und Weidetierhaltung müssten Vorrang haben. „Es geht einfach nicht anders.“

Wolf ist auf Rehe und Nutztiere aus 

Ungeklärt ist auch noch, welche Folgen der Wolf für das Leben und die Natur im Nationalpark Wattenmeer haben könnte. Zum Nahrungsspektrum des Wolfes zählten zwar auch Vögel und Vogeleier, aber sehr untergeordnet im Vergleich zu wildlebenden Huftieren und Kleinsäugern, teilte die Nationalparkverwaltung mit. „Vonseiten des Nationalparks gibt es keinen Handlungsbedarf“, sagte Behördensprecher Wagner. Untersuchungen von Kotproben hätten ergeben, dass Wildvögel zusammen mit Fischen und Früchten im Normalfall wohl nur 0,1 Prozent der Wolfsnahrung ausmachten. 

Jäger und Nationalparkverwaltung gehen davon aus, dass der Wolf die Insel auch aus Mangel an Nahrung wieder verlassen wird. „Der junge Rüde ist primär darauf aus, Rehwild, Damwild und Schafe, also Nutztiere zu reißen“, sagte Lengert. Schafe gibt es auf Norderney nicht, dafür aber Rinder und Pferde. Zudem leben auf der Insel Damwild und jede Menge Wildkaninchen. Doch Damwild und Rehe seien auf der Insel zu dicht am Menschen. „Der wird in kürzester Zeit feststellen, dass er da nichts zu futtern hat und da wieder abhauen.“ 

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