Umstritten: Norddeutscher Abschiebe-Knast erwartet erste Insassen
Die norddeutsche Abschiebehaftanstalt in Glückstadt (Kreis Steinburg) ist fertig und kann nun die ersten Häftlinge aufnehmen. Die schleswig-holsteinische Landesregierung in Kiel spricht von einem möglichst humanen Vollzug und lobt die Bedingungen in der ehemaligen Kaserne. Doch das sehen nicht alle so.
In der Abschiebehaftanstalt für Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern stehen zunächst zwölf Haftplätze zur Verfügung, bei voller Kapazität sollen es bis zu 60 sein – mit Einzelzimmern für Männer und Frauen sowie Aufenthaltsräumen. In Glückstadt sollen Ausreisepflichtige dann auf ihre Abschiebung warten.
Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) betonte, es handele sich bei der Abschiebehaft nicht um Strafhaft. Ziel sei daher ein möglichst humaner Vollzug in der ehemaligen Kaserne. Angesichts der Ausstattung der Anstalt sprach Sütterlin-Waack von: „Wohnen minus Freiheit“. Bei Flüchtlingshilfe-Organisationen stößt diese Formulierung ebenso auf Kritik wie die Einrichtung selbst.
Grüne zum Abschiebeknast: „Kein guter Tag“
„Für uns ist das kein guter Tag“, sagte die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen, Aminata Touré. „Wir sind gegen das Instrument der Abschiebehaft und haben dazu zahlreiche Beschlüsse auf Landes- sowie Bundesebene.“
Aber man sei auf Landesebene verpflichtet, Bundesrecht umzusetzen, sagte Touré. „Deshalb haben wir vor allem versucht, auf die rechtliche sowie organisatorische Ausgestaltung Einfluss zu nehmen.” Und es dürfe auch nicht verschwiegen werden, dass Schleswig-Holstein in der Vergangenheit Menschen in Abschiebehafteinrichtungen anderer Bundesländer untergebracht habe. Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern hatten den Bau 2017 beschlossen, die drei Länder teilen sich die Kosten – pro Jahr und Bundesland sollen sie nicht mehr als sechs Millionen Euro betragen.
„Heute wird nicht mit einer neuen Praxis in Schleswig-Holstein begonnen, sondern gemeinsam mit Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern Bundesrecht in einer eigenen Einrichtung umgesetzt“, sagte Touré am Montag angesichts des Betriebsstarts der neuen Abschiebehaftanstalt. Sie forderte einen Paradigmenwechsel in asyl- und migrationspolitischen Fragen in Berlin.
SPD-Fraktionschefin nennt Abschiebehaft „unsinnige Symbolpolitik“
Von unsinniger Symbolpolitik sprach Schleswig-Holsteins SPD-Fraktionschefin Serpil Midyatli. Sie halte Abschiebehaft, nur um die Ausreise von Menschen sicherzustellen, für nicht angemessen. Dass zumindest theoretisch auch Kinder in der Abschiebehaft untergebracht werden könnten, könne sie nicht mit ihrem Verständnis von Humanität vereinbaren. „Natürlich wissen alle ganz genau, dass diese Veranstaltung unsinnig und unangemessen ist und einzig die Befriedigung der Hardliner in der CDU bedient hat“, erklärte Midyatli.
Das könnte Sie interessieren: Fünf Jahre nach „Wir schaffen das“: Was aus Hamburgs Flüchtlingen wurde
„Mit der Abschiebehaft in Glückstadt wird eine Vollzugspraxis der Küstenkoalition beendet, die mehr als fragwürdig gewesen ist“, sagte hingegen der migrationspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Jan Marcus Rossa. „Migranten, die nicht freiwillig ihrer Ausreisepflicht nachkamen, wurden durch die Republik gefahren, um sie in Hafteinrichtungen anderer Bundesländer unterzubringen, auf deren Bedingungen Schleswig-Holstein keinen Einfluss nehmen konnte.“
Freiheit entziehende Maßnahmen seien in einem Rechtsstaat immer hoch sensibel, sagte Rossa. „Allerdings muss geltendes Recht auch durchgesetzt werden und das ist in Extremfällen manchmal nur mit Zwangsmitteln zu erreichen.“ Die Abschiebehaft treffe nur Menschen, die sich wiederholt der Ausreisepflicht entzogen haben.
Pro Asyl: „Es gibt keine gute Haft“
Die Organisation Pro Asyl lehnt die Abschiebehaft generell ab. Die Einrichtung in Glückstadt sei zwar um Lichtjahre besser als die in Bayern, aber es gebe keine „gute Haft“. In der Praxis sei es für die allermeisten Menschen brutal belastend, eingesperrt zu sein.
Das könnte Sie interessieren: Traurige Zahlen: So viele Geflüchtete unternahmen in Hamburg Suizidversuche
Auch das Bündnis Seebrücke kritisierte die Einrichtung in Glückstadt und untermauerte dies zuletzt auch mit Protestaktionen in Kiel, Hamburg und Schwerin. „Abschiebehaft bedeutet Freiheitsentzug für Menschen, die keine Straftat begangen haben“, sagte Sprecherin Leni Hintze. In Glückstadt könnten künftig auch Minderjährige bis zu 18 Monate in Haft genommen werden.
Es sei besonders zynisch, dass „von einem humanen Vollzug unter dem Motto ,Wohnen minus Freiheit‘“ gesprochen werde, sagte Seebrücken-Vertreterin Mariella Hettich. „Abschiebehaft ist so unmenschlich, dass es diese innerhalb von Deutschland nicht geben darf.“ (lm/dpa)