Kiel: Paare aus dem Tanzkreis der Kieler Tanzschule Gemind nehmen Tanzunterricht. Nach der Corona-Pandemie erlebt das Tanzen einen neuen Boom, die Tanzschulen spüren bundesweit wieder große Nachfrage.
  • Kiel: Paare aus dem Tanzkreis der Kieler Tanzschule Gemind nehmen Tanzunterricht. Nach der Corona-Pandemie erlebt das Tanzen einen neuen Boom, die Tanzschulen spüren bundesweit wieder große Nachfrage.
  • Foto: Georg Wendt/dpa

„Neue Lust“: Diese Schulen im Norden erleben einen Boom

In der Pandemie mit ihren Kontaktverboten war Tanzen nahezu unmöglich. Jetzt spüren die Tanzschulen im Norden einen Boom – in allen Altersklassen. Auch der Umgang untereinander hat sich verändert.

Aus der Anlage läuft der Song „If I don’t dance“ von Kelley Hunt, die ersten Paare auf dem Parkett setzen sich zur Musik in Bewegung. Hier, im großen Saal der Tanzschule Gemind in Kiel, treffen sich jeden Sonntag- und Montagabend etwa 15 Paare. Manche sind Mitte 20, andere Ende 60, und alle sind schon fortgeschrittene Tänzerinnen und Tänzer mit jahrelanger Übung. Im Tanzkreis wollen sie ihr Können mit Lehrer Tim Kahl verfeinern. Als erste Figur demonstriert der 56-Jährige mit seiner Tanzpartnerin eine spezielle Linksdrehung.

Tanzschulen im Norden erleben einen Boom

Zur Einstimmung spielt Kahl anfangs meist Cha-Cha-Cha oder langsame Walzer, „damit sich alle wohlfühlen“, danach geht es auch um die Gesellschaftstänze Rumba, Salsa, Jive oder Foxtrott. Die Corona-Pandemie mit den Kontaktverboten war für alle Tanzschulen und ihre Kursteilnehmer ein tiefer Einschnitt. „Seitdem es wieder stattfindet, habe ich den Eindruck, dass die Teilnehmer noch mehr Freude am Tanzen haben, dass es ein bewussteres gemeinsames Erlebnis ist“, sagt der Tanzlehrer, der seit 20 Jahren in der Tanzschule unterrichtet.

„Wir merken, dass die Kurse wieder laufen. Die Corona-Zeit haben wir gut überstanden“, erzählt Tanzschul-Chefin Sabrina Gemind-Graßhoff. Ganz stark zu spüren sei das bei Kindern und Jugendlichen, die Schülerkurse seien wieder sehr gut besucht. Ihre Tanzschule hat eine lange Tradition: In Kiel existiert sie seit 92 Jahren, die Anfänge in Lübeck liegen sogar 125 Jahre zurück.

Tanzlehrer: „Wieder gemeinsam etwas erleben“

„Man kann von einer neuen Lust am Tanzen sprechen“, sagt auch Heiko Stender. Er ist Tanzschulbesitzer in Hamburg und beim Allgemeinen Deutschen Tanzlehrerverband (ADTV) Regionalbeauftragter für Norddeutschland. Nach den Kindern und Jugendlichen hätten nun die Erwachsenen nachgezogen. „Sie wollen wieder gemeinsam etwas erleben“, sagt Stender. Früher sei die Tanzschule absolviert worden, um ein Repertoire an Tänzen zu erlernen und dann auf Feiern oder Bällen anzuwenden. „Jetzt möchten die Menschen mehr rauskommen.“

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ADTV-Präsident Jürgen Ball freut sich sehr, dass wieder mehr Menschen in die bundesweit 800 Tanzschulen kommen. „Bezüglich der Teilnehmerzahlen sind wir noch nicht wieder ganz dort, wo wir vor Corona waren, aber auf sehr gutem Weg.“ Für die Schulen sei es wichtig, eine Vielfalt an Tänzen anzubieten. Dazu müsse man ermitteln, was vor Ort gewünscht ist. Seien früher Walzer, Foxtrott und Rumba am stärksten gefragt gewesen, hätten heute Salsa, Bachata, Discofox viele Anhänger, auch West Coast Swing sei stark im Kommen.

Sabrina Gemind-Graßhoff, Chefin der Kieler Tanzschule Gemind, steht im Garten ihrer Schule. Georg Wendt/dpa
Sabrina Gemind-Graßhoff, Chefin der Kieler Tanzschule Gemind, steht im Garten ihrer Schule.
Sabrina Gemind-Graßhoff, Chefin der Kieler Tanzschule Gemind, steht im Garten ihrer Schule.

In großen Städten wie Hamburg, Bremen, Kiel und Lübeck seien Latino-Tänze sehr beliebt, weil es dort eine Szene dafür gebe. Wo solche Szenen fehlen, seien eher traditionelle Stile gefragt. Die bevorzugten Tanzkurse bei ihrer Tanzschule seien „Dauerbrenner wie Cha-Cha-Cha, langsamer Walzer und Jive, aber auch Discofox und Tango“, sagt Gemind-Graßhoff.

Der Umgang wird herzlicher

Das Fernsehen habe sicher geholfen, die Tanzbegeisterung auf eine neue Ebene zu heben, meint ADTV-Präsident Ball. Durch die Sendung „Lets Dance“ habe Tanzen in Deutschland einen höheren Stellenwert erhalten. Richtig gut findet er aber auch, dass Tanzbegeisterung über soziale Netzwerke transportiert werde. Doch auch diese Branche sucht Fachkräfte: „Es gibt keine arbeitslosen Tanzlehrer. Wir versuchen, Nachwuchs aus den eigenen Reihen und Tanzbegeisterte für diesen tollen Beruf zu gewinnen.“

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Tanzlehrer Tim Kahl hat bemerkt, dass auch viele Senioren die tänzerische Bewegung für sich entdeckt oder wiederentdeckt haben. Die Tanzkreise seien bei den Paaren sehr beliebt. „Für alle hier ist das ein fester Termin in der Woche“, sagt er. „Die Paare gehen hier immer vergnügt raus.“ Nach Corona beobachtet der Tanzlehrer auch mehr Herzlichkeit im Umgang miteinander – weniger Händeschütteln, mehr Umarmungen.

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