Überraschung im Stutthof-Prozess: Ex-KZ-Sekretärin bricht ihr Schweigen
Hat eine junge Sekretärin in der Kommandantur des KZ Stutthof Beihilfe zum Massenmord geleistet? Der Prozess vor dem Landgericht Itzehoe habe das nicht zweifelsfrei ergeben, sagt die Verteidigung. Die Angeklagte selbst überrascht mit ihrem letzten Wort.
Am vorletzten Verhandlungstag im Prozess gegen eine ehemalige Sekretärin im KZ Stutthof hat die Angeklagte überraschend ihr Schweigen gebrochen. „Es tut mir leid, was alles geschehen ist“, sagte die 97-jährige Irmgard F. am Dienstag in ihrem letzten Wort vor dem Landgericht Itzehoe. „Ich bereue, dass ich zu der Zeit gerade in Stutthof war. Mehr kann ich nicht sagen.“
Stutthof-Prozess: Verteidiger fordert Freispruch
Ihr Verteidiger Wolf Molkentin hatte zuvor Freispruch gefordert. Die Beweisaufnahme in dem seit mehr als 14 Monaten andauernden Verfahren habe wenig Konkretes erbracht. „Es bleiben unüberwindliche Zweifel“, sagte Molkentin. Die Angeklagte sei darum freizusprechen.
Zu Beginn seines Plädoyers würdigte Molkentin die „eindrucksvollen und erschütternden Berichte der Überlebenden“ in dem Prozess. „Dass Stutthof die Hölle war, konnte schon vorher nicht bezweifelt werden“, sagte der Anwalt. Die Haupttaten, also die tausendfachen Morde in dem Lager, werden nicht bestritten. Die Verteidigung könne sich nur in großem Respekt vor den Überlebenden verneigen. Diese Haltung stehe jedoch nicht im Widerspruch zu einer engagierten Verteidigung der Angeklagten.
KZ-Sekretärin Irmgard F. bricht ihr Schweigen
Irmgard F. habe keine Ausbildung der SS durchlaufen, erklärte der Verteidiger in seinem Plädoyer. Sie habe vor ihrer Zeit in Stutthof in einer Bankfiliale gearbeitet, die dann geschlossen worden sei. Als sie die Stelle in Stutthof annahm, sei das Lager nach den Worten des Nebenklagevertreters Rajmund Niwinski ein „normales Arbeitslager“ gewesen. Sie habe nicht den Eindruck gewinnen müssen, dass der alleinige Zweck des Lagers damals die Ermordung der Gefangenen gewesen sei. Ob sie später erkannte, dass sich Stutthof zu einem Vernichtungslager wandelte, lasse sich nicht nachweisen.
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Die Staatsanwaltschaft hat eine Jugendstrafe von zwei Jahren auf Bewährung gefordert. Die Anklagevertretung ist davon überzeugt, dass sich die Beschuldigte im damaligen Alter von 18 bis 19 Jahren der Beihilfe zum heimtückischen und grausamen Mord in mehr als 10.000 Fällen schuldig gemacht hat. Irmgard F. soll von Juni 1943 bis April 1945 als Zivilangestellte in der Kommandantur des Konzentrationslagers bei Danzig gearbeitet haben. Die Jugendkammer will ihr Urteil am 20. Dezember verkünden. (mp/dpa)