Umweltschützer entsetzt: Grüne für mehr Ölförderung im Naturschutzgebiet
Totgesagte leben länger: Wegen des Ukrainekrieges erlebt die Ölbranche derzeit einen nicht mehr für möglich gehaltenen zweiten Frühling. Darunter leiden könnte unter anderem das Naturschutzgebiet „Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer“. Hier will der größte deutsche Ölkonzern eine Plattform ausweiten. Und plötzlich sind sogar die Grünen dafür. Umweltschützer:innen sind entsetzt.
Laut Kanzler Olaf Scholz (SPD) erleben wir seit dem 24. Februar eine „Zeitenwende“. Die macht sich tatsächlich in vielen Bereichen bemerkbar, indem Gewissheiten bröckeln. Die Ölbranche? Tot. Die Grünen? Stemmen sich mit aller Macht gegen fossile Energieträger wie Öl, Gas, Kohle. So lauteten zwei dieser Wahrheiten. Bisher.
Goldgräberstimmung in der Ölbranche
Nun herrscht in der Ölbranche laut „Spiegel“ plötzlich „Goldgräberstimmung“. Durch steigende Energiepreise werden Rekordgewinne erzielt. Der Öl- und Gaskonzern Wintershall Dea – der größte hierzulande – spricht in seinem Quartalsbericht plötzlich von einem „außergewöhnlich attraktiven Marktumfeld“.
Und dann kippte vor kurzem die zweite Gewissheit: Schon vor Jahren hatte Wintershall Dea beantragt, die Ölplattform Mittelplate erweitern zu dürfen. Und nachdem die Grünen – zumal in Schleswig-Holstein – jahrelang dagegen waren, spricht sich das grün geführte Landes-Umweltministerium jetzt dafür aus. Klimaaktivisten reagierten empört, erwägen rechtliche Schritte.
Mittelplate: Seehunde und Brandgänse könnten leiden
Ausgerechnet Mittelplate! Es handelt sich zwar bereits jetzt um die größte deutsche Ölplattform. Seit 1987 wird hier gefördert. Die Lage aber sprach stets gegen einen Ausbau: Nur wenige Kilometer entfernt liegt der Badestrand Friedrichskoog. Und gerade mal rund zwei Kilometer nordwestlich die idyllische Seehundbank Trischen. Tourist:innen werden regelmäßig hierher geschippert. Eine mögliche Ölkatastrophe hätte laut Umweltschutzverbänden verheerende Folgen.

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Bis vor kurzem stemmte sich das grüne Umweltministerium auch gegen den Antrag aus dem Jahr 2019. Bisher fördert Mittelplate knapp die Hälfte der 1,8 Millionen Tonnen deutschen Öls. Wintershall Dea will nun ausbauen: die Plattform soll vergrößert, die Fördermenge erhöht und die Förderrechte bis 2069 verlängert werden.
Ukrainekrieg brachte Umdenken bei den Grünen
Der Ukrainekrieg brachte nun ein Umdenken bei den Grünen. Sie unterstützen den gemeinsamen Koalitions-Antrag vom 11. März „Energieversorgung sichern – Erdölförderung befristet gestatten“. Zwar werden keine genauen Zahlen genannt, die Richtung aber ist klar.
„Die Ölplattform stört massiv unsere Nationalparklandschaft“, wütet Hans-Ulrich Rösner vom WWF-Wattenmeerbüro in Husum. Etliche Zugvögel würden hier rasten, alleine 200.000 Brandgänse jeden Sommer.
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Uneins sind sich auch der Ölkonzern und Kritiker:innen, ob der Aufwand lohnt. Auf dem geplanten Abschnitt könnten bis 2041 laut Wintershall Dea zwei Millionen Tonnen Erdöl gefördert werden – „eine für den heimischen Markt relevante Menge“. Dies wären tatsächlich aber nur 0,1 Prozent des deutschen Verbrauchs. Und laut Rösner würde auch erst ab 2025 gebohrt. Der Krieg? Bis dahin hoffentlich vorbei. Unter anderem die Deutsche Umwelthilfe will nun juristisch gegen das Vorhaben vorgehen. (km)
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