Verbands-Chef: Neue Grundsteuer im Norden „zutiefst unsozial“
Manche profitieren, anderen zahlen künftig mehr Grundsteuer für ihr Eigenheim. Doch Schleswig-Holsteins Weg bei der notwendigen Reform überfordere vor allem eine Gruppe, warnt die Wohnungswirtschaft.
Schleswig-Holsteins Wohnungswirtschaft rechnet mit höheren Kosten für Hausbesitzer und Mieter durch die neue Grundsteuer-Berechnung. „Viele Kommunen haben im vergangenen und in diesem Jahr ,vorauseilend‘ die Bemessungszahlen zur Berechnung der Grundsteuer erhöht“, sagte der Direktor des Verbandes Norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), Andreas Breitner, der Deutschen Presse-Agentur. „Insgesamt werden, so fürchte ich, die Wohnkosten durch die Grundsteuer steigen.“
Ähnliches erwartet der Vorstandsvorsitzende des Grundeigentümerverbands Haus & Grund Schleswig-Holstein, Alexander Blažek, für 2025. In den Bundesländern, die sich für das sogenannte Bundesmodell entschieden hätten, stiegen die Wohnkosten. „Eigentümer von Wohngrundstücken (und deren Mieter) zahlen drauf, gewerblich genutzte Grundstücke profitieren. Bei älteren Immobilien steigt die Grundsteuer stärker als bei neueren Wohngebäuden.“
Grundsteuer im Norden: Höchste Hebesätze in Flensburg und Glücksburg
In der Vergangenheit waren die Hebesätze in Flensburg und Glücksburg am höchsten ausgefallen. In Glücksburg steigt dieser Hebesatz nun zwar von 700 auf 896 Prozent. Dies entspricht aber der Empfehlung des Transparenzregisters der Landesregierung für eine aufkommensneutrale Grundsteuerreform. Ähnlich ist es in Flensburg. Dort liegt der Satz künftig bei 953 Prozent (690).
„Nach Transparenzregister müssten künftig 45 Kommunen einen Hebesatz von mehr als 600 festlegen, um aufkommensneutral zu sein“, sagte Gemeindetags-Geschäftsführer Jörg Bülow. Er gehe davon aus, dass sich die meisten Gemeinden am Register orientierten. Es werde aber Fälle geben, in denen geringere oder höhere Hebesätze festgelegt würden.
„Es wird in nahezu jeder Kommunen Eigentümer geben, die im Ergebnis weniger zahlen als vorher und solche, die mehr zahlen als vorher“, sagte Bülow. Um aufkommensneutral zu sein, müssten 86 Prozent aller Kommunen die Sätze anheben. Gerade in den Kreisen Steinburg und Dithmarschen, punktuell aber auch in anderen Kreisen gebe es Dörfer, die laut Transparenzregister eine sehr deutliche Anhebung des Hebesatzes vornehmen müssten.
Urteil des Verfassungsgerichts fordert Grundsteuer-Reform
Von 2025 an soll eine neue Grundsteuer-Berechnung gelten. Das hatte das Bundesverfassungsgericht gefordert, denn zuletzt kalkulierten die Finanzämter den Wert einer Immobilie auf Grundlage völlig veralteter Daten, von 1935 in Ostdeutschland und von 1964 in Westdeutschland. Für die Neuberechnung müssen bundesweit fast 36 Millionen Grundstücke neu bewertet werden. Schleswig-Holstein wendet das Bundesmodell an und hat Aufkommensneutralität als Ziel.
Das gesamte Grundsteueraufkommen einer Kommune solle von der Reform unberührt bleiben, sagte eine Sprecherin des Finanzministeriums. Eine unvermeidliche Folge des Urteils sei, dass es für die einzelnen Eigentümerinnen und Eigentümer zu einer Mehr- oder Minderbelastung kommen könne.
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Breitner bezeichnet die Übernahme des Bundesmodells als falsch. Dadurch falle die Grundsteuer in besonders nachgefragten Quartieren überdurchschnittlich hoch aus. „Das wird zu Verdrängung einkommensschwacher Haushalte führen. Menschen mit geringem Einkommen werden sich künftig das Wohnen in guten Wohngebieten nicht mehr leisten können und schlimmstenfalls wegziehen müssen.“ Die Reform fördere die Wirtschaft und überfordere arme Menschen. „Damit ist sie zutiefst unsozial.“