Ende der A20 bei Bad Segeberg
  • Auf der A20 wird aktuell nicht weiter ausgebaut.
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Stillstand beim Bau der Autobahn 20 – und das liegt nicht nur an Fledermäusen

Seit mehr als zehn Jahren baut niemand neue Abschnitte der A20 in Schleswig-Holstein. Statt über die Elbe nach Niedersachsen führt die Küstenautobahn nur bis vor die Tore Bad Segebergs. Das liegt nicht nur an Fledermäusen.

Wer auf der Autobahn 20 in westlicher Richtung unterwegs ist, wird mitten in Schleswig-Holstein ausgebremst. Seit mehr als zehn Jahren endet die Küstenautobahn östlich von Bad Segeberg. Freie Fahrt westlich an Hamburg vorbei und durch einen neuen Elbtunnel nach Niedersachsen wird es in diesem Jahrzehnt voraussichtlich nicht mehr geben. Doch warum wird nicht mehr gebaut?

Bundesverwaltungsgericht stoppte Weiterbau

„Die Menschen in der Stadt rufen im Wochentakt an und fragen: Wann fangt ihr endlich an“, sagt Sebastian Haß, Nord-Bereichsleiter der Projektgesellschaft des Bundes und der Länder (Deges). In der Region gebe es einen starken Wunsch. Statt bislang mehr 33.300 Fahrzeugen pro Tag, darunter allein 3000 Lastwagen, würden dank A20 nur noch 13.600 über die Bundesstraße 206 mitten durch Bad Segeberg rollen.

Ganze 39 Kilometer schlängelt sich die A20 durch Schleswig-Holstein. 2013 stoppte das Bundesverwaltungsgericht den Weiterbau. Die Richter sahen den Fledermausschutz nicht ausreichend beachtet. Die Segeberger Kalkberghöhlen gelten als größtes Fledermaus-Überwinterungsquartier Deutschlands. Sie beherbergen in den Wintermonaten rund 25.000 Tiere sieben verschiedener Arten.

Es gibt noch viele Hürden. Für keinen einzigen der sechs Abschnitte bis zur Elbe liegt laut Deges vollziehbares Baurecht vor. Umweltverbände klagen. Die A20 zerschneide die Landschaft und führe geradewegs durch das Naturschutzgebiet Travetal, sagt Ole Eggers, Landesgeschäftsführer des Naturschutzverbandes BUND. „Im Zuge des Klimawandels gibt es erhebliche Migrationsbewegungen verschiedenster Organismengruppen, die von Norden nach Süden ausweichen. Wenn sie die A24 und A1 überwunden haben, werden sie ein weiteres Mal von der A20 gestoppt.“

Wie Fledermäuse geschützt werden sollen

Nach dem Urteil wurden nicht nur Fledermäuse gezählt, sondern die Planung des Straßenverlaufs überarbeitet. Zum Schutz der Tiere seien diverse Bauwerke geplant, sagt Haß. „Wir schaffen mit Querungshilfen Möglichkeiten, die Autobahn zu unterfliegen und bauen Leitstrukturen wie Schutzwände, die Fledermäuse überfliegen.“ So soll verhindert werden, dass Tiere mit Lkws kollidieren. Stand jetzt wird es rund um Bad Segeberg und im Travetal 38 Bauwerke vor allem für Fledermäuse, aber auch andere Tierarten geben, darunter acht Tunnel und fünf Brücken. „Wegen unserer Planung stirbt keine Fledermaus“, sagt Haß. „Sie erhalten ein Angebot, wie sie trotz der A20 auch künftig ihre Jagdreviere erreichen können.“

Für Umweltschützer Eggers reicht der Schutz nicht. ^Wir müssen langfristig sichern, dass der Großteil der Population die Höhlen ansteuern kann. Sie werden die Höhle nicht aufgeben, sondern versuchen auch unter hohen Verlusten einen Weg zu finden.“ Ihnen müsse zumindest ein abgedunkelter, unzerschnittener Zugang gesichert werden, beispielsweise durch den Verzicht auf Bauprojekte im Osten Bad Segebergs.

Historisch bedingt wird die A20 von Ost nach West geplant. Im Fokus stehen auch streng geschützte Haselmäuse im Travetal zwischen Segeberg und der A7 sowie Zwergschwäne westlich der A7. „Im Travetal gibt es zudem sehr seltene Kalktuffquellen, das sind empfindliche Geotope“, sagt Eggers. Durch Stickoxide und Schwefeldioxid aus Abgasen entstehen mit Luft und Feuchtigkeit Säuren, die diese Quellen vernichten.

Zu teuer: Autobahndeckel ist keine Option

„Ein wirksamer Schutz wäre eine Einhausung dieses Bereiches bis in das Autobahnkreuz zur A21 hinein“, sagt Eggers. Ähnlich wie es beim Autobahndeckel im Zuge der A7 in Hamburg gemacht wurde. Laut Deges würden alle Lärmgrenzwerte eingehalten und eine Schädigung der sensiblen Ökosysteme in unmittelbarer Nähe ausgeschlossen. „Eine Einhausung auf einer Länge von mehreren hundert Metern wäre demnach übergesetzlicher Lärmschutz, der fiskalisch nicht zu rechtfertigen ist“, sagt ein Sprecher.

„Für die streng geschützten Zwergschwäne sehe ich in unserem eng besiedelten Raum keine Alternative“, sagt Eggers. Die Tiere verbrächten derzeit vor allem die Winter auf dortigen Ausgleichsflächen, die vor rund 20 Jahren für die Erweiterung des Airbus-Geländes geschaffen wurden. „Wir vermuten, dass die Planung für diesen Abschnitt deswegen noch hintenan steht in der Hoffnung, durch den vorherigen Anschluss an die Autobahnen 7 und 23 und die Planungen des Elbtunnels Druck aufzubauen. Das ist dann eine Salamitaktik.“

Für den Elbtunnel gibt es zwar einen Planfeststellungsbeschluss, gebaut werden kann trotzdem nicht sofort: „Dieser Planungsabschnitt hat keine eigene verkehrliche Wirkung, deshalb ist der Baubeginn an der Elbe mit bestandskräftigem Baurecht für das Kreuz Kehdingen auf niedersächsischer Seite und dem Abschnitt 7, der bis zur A23 reichen wird, verklammert“, sagt Haß.

Dieses Baurecht gelte es abzuwarten, der Bau der letzten Abschnitte vor dem neuen Elbtunnel beginne frühestens 2025. Der Tunnelbau selbst wird sechs, sieben Jahre dauern. Geplant ist ein Bohrtunnel. „Wir bohren zweimal von Schleswig-Holstein nach Niedersachsen. Der ganze Abraum kommt hier an.“ Es wird mit drei Millionen Kubikmetern gerechnet.

Widerstand gegen Autobahn-Projekte: Verhärtete Fronten

Eggers erkennt zwar an, dass die Umweltschützer bei den Planern Gehör finden. Wünsche würden aber nicht ausreichend umgesetzt. In Spitzengesprächen sei der Verzicht auf Rechtsmittel gefordert worden. „Das war wirklich Pistole-auf-die-Brust-setzen.“ Die Verbände hielten sich weitere Rechtsmittel offen.

Aus Sicht der Deges ist der Widerstand gegen Autobahn-Projekte im Norden ein stückweit ausgeprägter als in anderen Regionen. „Das Grundproblem der A20 ist, dass vor allem der Bund und der Nabu ihr Verbandsklagerecht dafür nutzen, Fundamentalopposition zu betreiben“, sagt Haß. Es habe diverse Gesprächsangebote gegeben. Zur Abwägung der Folgen gehörten die Kosten dazu: „Es kann sich niemand hinstellen und sagen: Ich will von der A20 gar nichts merken, baut bitte einen Tunnel von der A7 bis hinter Bad Segeberg.“

Was der Weiterbau mindestens kosten wird

Laut Bundesverkehrsministerium kostet der Weiterbau nach derzeitigem Stand voraussichtlich rund 2,6 Milliarden Euro. Allein der Elbtunnel ist aktuell mit gut 1,5 Milliarden Euro veranschlagt. Doch selbst diese Kosten werden nicht ausreichen.

„In der Bauwirtschaft allgemein gibt es derzeit aber Preisexplosionen, die in den Kostenschätzungen noch nicht enthalten ist“, sagt Autobahnplaner Haß.

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„Unsere Kollegen aus Niedersachsen haben bereits 2021 eine Gegenrechnung aufgestellt, wonach die reinen Baukosten allein der A20 nach aktuellen Preisen 6,7 Milliarden Euro betragen“, sagt Eggers. Billiger wäre es, den Fährbetrieb zwischen Glückstadt und Wischhafen auszubauen.

Bereits mit 50 Millionen Euro an Subventionen sei eine deutlich höhere Taktung möglich. „Dadurch ließe sich die Fahrtzeit um eine Viertelstunde sowie bisherige Wartezeiten verringern. Allein das Land Schleswig-Holstein verweigert sich dieser Lösung nach wie vor.“ (dpa)

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