Michaela Höck, Nina Zirkwitz und Uta Kindereit während einer Sitzung der Trauergruppe für Tierhalter
  • Michaela Höck (v.l.), Trauerrednerin und ehemalige Pastorin, spricht während einer Sitzung der Trauergruppe für Tierhalter mit Nina Zirkwitz und Uta Kindereit über die Andenken an ihre verstorbenen Katzen.
  • Foto: picture alliance/dpa/Hauke-Christian Dittrich

Trauer ums tote Haustier: „Menschen trauen sich nicht, darüber zu sprechen“

Wenn ein Tier stirbt, fühlen sich viele Menschen mit der Trauer alleingelassen. Eine Gruppe will das nun ändern.

Als Nina Zirkwitz mit dem toten Körper in ihrem Rucksack nach Hause ging, konnte sie nicht mehr. „Ich wollte auch in den Rucksack“, erinnert sich die 45-Jährige. Bis zum letzten Atemzug sei sie für ihre Katze Lucy da gewesen – und dann war niemand für sie da. Die Trauergruppe für Menschen von verstorbenen Tieren in Bremen habe ihr schließlich Halt gegeben. „Die Trauer saß vorher richtig fest, jetzt in der Gruppe hat sich der Kloß gelöst. Meine Gefühle schwenkten um in Liebe und Zuneigung.“

Hemmung über den Tod der Tiere zu sprechen

Seit März tauscht sich die Gruppe der Hospizhilfe Bremen monatlich aus, ohne Anmeldung und kostenlos. Dann stehen frische Blumen in der Mitte, Kerzen brennen. „Jeder bekommt Zeit und Raum zum Erzählen“, sagt Leiterin Michaela Höck. „Im Grunde ist es ein aufmerksames Zuhören.“ In Norddeutschland gebe es sonst kaum Raum für die Trauer um gestorbene Hunde, Katzen oder Pferde. In Hamburg trifft sich noch eine Trauergruppe, in Wolfenbüttel eine Selbsthilfegruppe.

Regina Heygster, zweite Vorsitzende des Vereins Hospizhilfe Bremen, hat die Trauergruppe für Tierhalter ins Leben gerufen. picture alliance/dpa/Hauke-Christian Dittrich
Regina Heygster, zweite Vorsitzende des Vereins Hospizhilfe Bremen und Initiatorin der Trauergruppe für Tierhalter
Regina Heygster, zweite Vorsitzende des Vereins Hospizhilfe Bremen, hat die Trauergruppe für Tierhalter ins Leben gerufen.

Die Idee für eine eigene Tiertrauergruppe in Bremen sei ihr mit der Einladung zu einer Trauerfeier um einen Kater gekommen, erzählt Initiatorin Regina Heygster. Niemand sonst sei der Einladung ihrer Freundin gefolgt. „Es war wirklich herzergreifend, wie sie weinte und das Tier streichelte“, erzählt Heygster. „Ich habe es oft erlebt, dass Menschen sich nicht trauen, über den Tod ihrer Tiere zu sprechen. Menschen, die keine Tiere haben, können damit nicht umgehen.“ Es fehle das Verständnis für den Verlust. Trauernden werde geraten, sich einfach ein neues Tier zu kaufen.

Trauer um Tiere und um Menschen vergleichbar

So einfach sei das nicht, meint Uta Kindereit kopfschüttelnd, die nach dem Einschläfern ihrer Katzen nun regelmäßig die Tiertrauergruppe besucht. Ihre Katze Tali sei am 15. Januar gestorben, ihr eigener Vater am 30. Januar. „Ich war immer ein Papa-Kind. Ich bin traurig, dass er gestorben ist. Trotzdem tue ich mich mit den Katzen schwerer.“ Ein Tier liebe bedingungslos, es gebe keine verdrängten Gefühle.

Die Trauer um Tiere könne intensiver und belastender wahrgenommen werden als die Trauer um Verwandte, zeigt auch eine Forschungsarbeit der Tierärztlichen Hochschule Hannover von 2019. Meistens könnten Betroffene aber schneller damit abschließen und es komme selten zu impulsartigen Gefühlen. Trauergruppen könnten helfen, den Kummer um die gestorbenen Haustiere zu verarbeiten. Andererseits bestehe „die Gefahr unangemessener Vermenschlichung und Dramatisierung“, heißt es in der veröffentlichten Doktorarbeit.

„Verwaiste Katzenmama“ – Bestattung im Garten

Für sie seien Pünktchen und Lucy wie Kinder gewesen, die sie nie hatte, meint Nina Zirkwitz. „Ich bin eine verwaiste Katzenmama.“ Es sei ihr ein Anliegen gewesen, die beiden würdevoll zu begraben. Im Garten einer Freundin liegen sie nun, in einem selbst bemalten Karton.

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In Bremen ist eine solche Bestattung verboten, weil weite Teile Wasserschutzgebiet sind. Zwischen der Erdoberfläche und dem Grundwasser gebe es zu wenig Platz, um ein Tier zu vergraben, heißt es aus dem Bremer Gesundheitsressort. Wer dagegen verstoße, müsse ein Bußgeld zahlen, das Tier wieder ausgraben und beispielsweise auf einem eigenen Tierfriedhof beerdigen. Auch in Niedersachsen und Hamburg dürfen tote Tiere nur im Garten verbuddelt werden, wenn die Wiese nicht im Wasserschutzgebiet liegt und die Tiere mindestens 50 Zentimeter tief vergraben werden.

Hoher Bedarf nach Trauerangeboten um Hund, Katze und Pferd

Besonders schwierig sei für viele der Abschied von ihrem toten Pferd, weil das Tier zum Einschläfern vom Abdecker abgeholt werden müsse, berichtet Anemone Zeim, Geschäftsführerin der Hamburger Trauerberatung „Vergiss Mein Nie“. „Das sorgt für eine emotionale Diskrepanz und viel Schuldgefühl, gepaart mit dem fehlenden Verständnis für diese Art von Trauer.“

Seit 2018 biete die Beratungsstelle kostenpflichtig Einzelsprechstunden für Tierhalter an, eine Trauergruppe trifft sich regelmäßig in Hamburg, zwei Gruppen online. Etwa die Hälfte der Teilnehmer trauert demnach um Hunde, ein Drittel um ihr Pferd. Rund 20 Prozent kämen wegen ihrer verstorbenen Katze. Und auch Halter von anderen Tieren wie Siebenschläfern hätten sich schon Hilfe geholt.

Der Bedarf ist groß, das Angebot in Hamburg soll erweitert werden. Das Hospiz in Altona plant nach eigenen Angaben ein Tagesseminar für Tierhalter im November. Und auch im Hamburger Hospiz am Deich soll es in Zukunft Angebote zur Tiertrauer geben.

Fotos zur Erinnerung – Der Weg aus der Trauer

Teilnehmerin Uta Kindereit hat als Andenken an ihre verstorbenen Katzen eine Einkaufstasche bedrucken lassen. picture alliance/dpa/Hauke-Christian Dittrich
Teilnehmerin Uta Kindereit hält eine bedruckte Einkaufstasche in der Hand.
Teilnehmerin Uta Kindereit hat als Andenken an ihre verstorbenen Katzen eine Einkaufstasche bedrucken lassen.

Der Austausch mit Gleichgesinnten in der Bremer Tiertrauergruppe helfe ihr enorm bei der Bewältigung der Trauer, meint Uta Kindereit. „Ich fühle mich total gut aufgehoben.“ Noch Monate später bricht ihr die Stimme weg, wenn sie vom Tod ihrer Katzen erzählt. Kater Kerscha hatte sie erst von den Nachbarn übernommen. „Neun Tage später musste ich ihn einschläfern lassen“, sagt die 56-Jährige unter Tränen. „Er hat darauf gewartet, dass ich die Entscheidung für ihn übernehme.“ Zur Erinnerung hat sie eine Einkaufstasche mit Fotos ihrer Katzen bedruckt, ohne die sie nicht mehr das Haus verlässt. Sie hilft nun ehrenamtlich im Tierheim aus und will den Umgang mit verängstigten Katzen lernen.

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Auch Nina Zirkwitz sucht Wege für sich, mit der Trauer um ihre Katzen umzugehen. Sie zeigt eine selbstgebastelte Collage: Pünktchen und Lucy sitzen auf einem Regenbogen, darunter steht mit Kugelschreiber am Ende: „Wir waren nur ein Kapitel in deinem Leben. Du warst unser ganzes Buch.“

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