LNG-Zoff: Konzern beginnt heimlich mit Arbeiten – Bürgermeister empört
Auf Rügen droht sich der LNG-Zoff weiter zuzuspitzen. Ungeachtet von massiven Protesten aus der Bevölkerung und einem Nein der Landesregierung sind nun doch erste Arbeiten für den geplanten Bau von zwei weiteren Terminals für Flüssigerdgas (LNG) östlich von Rügen angelaufen. Nicht nur Umweltschützer sind auf Zinne.
Laut Deutscher Umwelthilfe (DUH) war die Offshore-Arbeitsplattform „JB119“ am Samstag vor Sellin eingetroffen. Zudem sei der Schwimmbagger „Swarog“ in den Küstengewässern aktiv, der schon mehrfach bei der Munitionssuche zum Einsatz gekommen sei. Die DUH hatte nach eigenen Angaben daraufhin beim zuständigen Bergamt Stralsund Widerspruch gegen die Arbeiten eingelegt.
Energiekonzern RWE zeigte sich beschwichtigend, ein Sprecher sagte am Sonntag, es handelt es sich dabei „lediglich um Erkundungsarbeiten“. Diese seien vom Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Ostsee genehmigt worden. Wie er betonte, finden die aktuellen Arbeiten im Rahmen des Projektes „Ostsee LNG“ statt, das im Auftrag der Bundesregierung von RWE als Dienstleister umgesetzt werde.
Für die Erkundungsarbeiten seien zwei Spezialschiffe im Einsatz. „Es ist üblich, dass bei Offshore-Projekten vorlaufend eine sorgfältige Prüfung der Bodenbeschaffenheit und des Untergrunds erfolgt. Dies umfasst auch die Prüfung auf möglicherweise noch im Boden liegende alte Weltkriegsmunition“, hieß es weiter.
RWE beginnt mit LNG-Vorarbeiten vor Rügens Küste
Nach bisherigen Plänen sollen in der Ostsee vor Sellin zwei schwimmende Flüssigerdgas-Terminals installiert werden. Das mit Tankschiffen angelieferte Flüssigerdgas soll dort wieder in Gas umgewandelt und per Pipeline, die noch durch den Greifswalder Bodden verlegt werden soll, nach Lubmin auf dem Festland transportiert werden. Lubmin als früherer Anlandepunkt für russisches Erdgas aus der Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 ist bereits an das europäische Verteilnetz angebunden. Dort betreibt die Deutsche Regas seit Mitte Januar bereits ein LNG-Terminal.
Das Umweltministerium in Schwerin zeigte sich überrascht. Nach dessen Angaben sollten mit Rücksicht auf die Laichzeit alle Arbeiten in dem Küstengebiet, das als Kinderstube des Herings gilt, bis Mai unterbleiben. Zudem dringt das Land beim Bund darauf, die bisherigen Pläne für Rügen aufzugeben.
Das hier könnte Sie auch interessieren: „Todesstoß für die Insel“: Rügens Aufstand gegen das LNG-Terminal
Nach anfänglicher Unterstützung lehnt die rot-rote Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern, aufgeschreckt auch durch vehementen Widerstand auf der Insel Rügen, inzwischen den vom Bund geplanten Bau weiterer Terminals etwa fünf Kilometer vor dem Badeort Sellin ab. Erst am Freitag hatte Ministerpräsidentin Manuaela Schwesig (SPD) ihre Kritik untermauert und Alternativen gefordert. Auch müsse der Bund zunächst die Frage klären, ob zusätzliche Terminals vor Rügen überhaupt noch erforderlich seien. Umweltverbände verneinen dies. Erst Ende Februar waren über 2000 Menschen auf Rügen zu einem Protest gegen den Terminal zusammengekommen.
Kritik an Vorarbeiten: „Der Vorgang ist wirklich besorgniserregend“
Der nun überraschende Start der Vorarbeiten trifft auf der Insel auf Unverständnis und Empörung. „Der Vorgang ist wirklich besorgniserregend. Noch am Freitag wurde uns von Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) versichert, dass der bisher geplante Standort keine Rolle mehr spiele und nach Alternativen gesucht werde. Und dann rückt am Tag darauf, völlig ohne Vorankündigung, eine Arbeitsplattform an”, sagte der Bürgermeister des Ostseebades Binz, Karsten Schneider.
Diese Vorgehensweise sorge in großen Teilen der Bevölkerung für Verdruss. „Da muss man sich nicht wundern, wenn das Vertrauen in die Demokratie schwindet“, sagte der parteilose Kommunalpolitiker. Gemeinsam mit 37 seiner Amtskollegen von der Insel und aus Stralsund hatte er die Pläne zum Bau des Importterminals in Sichtweite der Badestrände abgelehnt. „Wir, die Bürgermeister, werden mit aller Entschiedenheit und den uns zur Verfügung stehenden Mitteln gegen das Projekt an Rügens Küste vorgehen“, hieß es in der gemeinsamen Erklärung. Zudem wurde eine entsprechende Petition gestartet.
Mit Hilfe schwimmender LNG-Terminals in Nord- und Ostsee will die Bundesregierung den Ausfall russischer Gaslieferungen im Zuge des Ukrainekriegs kompensieren. Das erste Terminal war bei Wilhelmshaven (Niedersachsen) in Betrieb gegangen, ein weiteres, privat finanziertes bei Lubmin in Vorpommern. (alp/dpa)