Vergiftete Rotmilane auf einer Wiese.
  • Zwei durch Insektengift getötete Rotmilane.
  • Foto: LLUR/Wirth

Vergiftete Greifvögel: Tätersuche mit GPS und Videoüberwachung

Wer tötet systematisch Rotmilane im Norden? Mittlerweile sind 21 Vögel verendet, die Mehrheit starb durch ein längst verbotenes Insektengift. Doch weder Appelle der Polizei, noch ein ausgelobtes Kopfgeld vom Jagdverband (1000 Euro) oder die Untersuchungen des Landesamtes für Landwirtschaft und Umwelt in Schleswig-Holstein führten zu Ergebnissen. Sie kommen dem Giftmischer einfach nicht auf die Spur. Jetzt wurden im Rahmen eines Schutzprojektes etliche Horste mit Überwachungskameras versehen. Und führten schon zu einem ersten Erfolg.

Besonders gefährlich leben Rotmilane in den Kreisen Plön und Rendsburg-Eckernförde. Dort kam es besonders häufig zu nachgewiesenen Vergiftungen. Mindestens elf Vögel starben an einem längst verbotenen Insektengift. Ingesamt sind aber sogar 21 Rotmilane seit 2018 südlich und östlich von Neumünster verendet, bei den anderen ist die Todesursache immer noch nicht geklärt. Auch sie könnten an Gift gestorben sein.

Das zuständige Landesamt äußert sich sehr zurückhaltend, man wolle sich nicht an Spekulationen beteiligen, sondern versuche, „der wirklichen Ursache auf die Spur zu kommen – eine davon wäre eine Vergiftung, die mit den bisherigen Untersuchungsmethoden nicht nachweisbar war.“

Der Rotmilan wird auch Gabelweihe genannt. Er ist gut an der Einkerbung in den Schwanzfedern erkennbar. Imago
Rotmilan in der Luft
Der Rotmilan wird auch Gabelweihe genannt. Er ist gut an der Einkerbung in den Schwanzfedern erkennbar.

Umweltminister Jan Philipp Albrecht wird da deutlicher: „Das Vergiften von Rotmilanen ist eine schreckliche Straftat.“ Er sei froh, dass sich diese seltenen Greifvögel in Schleswig-Holstein wohl fühlen. „Man sollte ihnen mit Respekt entgegentreten.“

Der Ornithologe Birger Reibisch gehört zum Team eines Schutzprojekts mit Nestpaten für den Rotmilan. Sie kontrollieren jetzt regelmäßig die Horste und haben dort auch Kameras installiert. „Rotmilane sind Sammler“, erzählt der Vogelkundler. „In einem Horst haben wir bei der Beringung mal ein pfannenfertiges Kotelett entdeckt. Und in dem Baum hing noch das Papier vom Schlachter,“ so Reibisch lachend. Das neue Projekt soll den oder die Täter abschrecken. Eine hielt Ende Juni fest, wie ein junger Rotmilan umkippt und kurze Zeit später aus dem Nest fällt. Es war der zweite Fall eines toten Rotmilans in diesem Jahr.

Viele Rotmilane sterben durch Insektengift

Doch die geglückte Kameraufzeichnung endete in einer toten Spur: Bei einer Untersuchung des Kadavers in der Universität Göttingen konnten keine giftigen Substanzen nachgewiesen werden. Das Landesamt prüft, ob weitere Untersuchungen sinnvoll sind. Das Landeslabor hat Material von Leber und Niere konserviert. „Es gibt allerdings bislang keine Befunde, die auf eine Vergiftung hindeuten“, so ein Sprecher.

Der Rotmilan ist nicht nur im Norden ein verfolgter Jäger. Auch in Bayern wurden in diesem Jahr wieder mehrfach Rotmilane tot aufgefunden, die mit einem verbotenen Insektizid vergiftet wurden. In Bayern werden daher viele Rotmilane jetzt mit GPS-Sendern versehen. So können die Vogelexperten künftig alle Bewegungen der Vögel verfolgen und auch tote Tiere schneller aufspüren. Mit den Erkenntnissen aus dem Projekt sollen künftig auch gezielte Maßnahmen zum Schutz der Tiere und gegen Fallensteller und Wilderei ergriffen werden können.

Schleswig-Holstein: Gabelweihen per Kamera überwacht

Laut Landesjagdverband Schleswig-Holstein liegt der Verbreitungsschwerpunkt des im Volksmund oft als Gabelweihe bezeichneten Rotmilans hier in Deutschland: „Über die Hälfte der weltweiten Population lebt auf dem Gebiet der Bundesrepublik. Dies unterstreiche die hohe nationale Verantwortung für diesen Charaktervogel.“ Nach dem See- und dem Steinadler ist der Rotmilan der größte heimische Greifvogel.

Den Totfunden zum Trotz hat der Bestand der Rotmilane nach Angaben des Umweltministeriums zugenommen. Die mittlerweile 220 bis 240 Brutpaare leben vor allem südlich des Nord-Ostsee-Kanals. Ihr Verbreitungsgebiet habe sich etwas nach Norden und Westen ausgeweitet.

Beim Schutz der einst sehr stark gefährdeten Seeadler hat sich die intensive Bewachung der Horste bereits ausgezahlt. Der Bestand hat sich enorm erholt. In diesem Sommer waren nach Angaben der Projektgruppe Seeadlerschutz erneut etwa 125 Seeadlerreviere besetzt. (2020: 123). Es seien in der Schlechtwetter-Phase im Frühjahr aber „auffallend viele Junge eingegangen“, sagt Geschäftsführer Bernd Struwe-Juhl. Zahlen zur aktuellen Brutsaison liegen noch nicht vor. 2020 hatten 107 Paare mit der Brut begonnen und insgesamt 128 junge Seeadler aufgezogen.


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Als am häufigsten verbreitete Greifvögel zwischen Nord- und Ostsee gelten Turmfalken und der Mäusebussard. Laut Umweltministerium sind die Bestände der Sperber, Rohr-, Korn- sowie Wiesenweihen und des Bussards in den vergangenen Jahren zurückgegangen.

„Beim Mäusebussard ist die Erreichbarkeit der Beute durch die Versiegelung der Landschaft das Problem“, sagt der stellvertretende Nabu-Landesvorsitzende Oscar Klose. „Im Juni, wenn die Jungen dick und fett im Nest sitzen und den größten Hunger haben, haben die Bussarde es am schwierigsten, Futter ranzukriegen.“ Deshalb gebe es nur eine geringe Erfolgsquote bei der Brut. 2010 habe es noch 5000 Bussard-Paare im Norden geben. Die Zahl sei heute niedriger.

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Außer dem Schwund des Grünlands bereiten den Greifvögeln die Windräder große Probleme. „Der Bussard ist die Art, die am häufigsten an Windmühlen verunglückt“, sagt Klose. Tausende verendeten jedes Jahr bundesweit auf diese Weise. Aber auch für die anderen Greifvögel sind Windräder eine tödliche Gefahr.

Zwar erkennen Greifvögel die Anlagen grundsätzlich, deren schnelle Bewegungen nähmen diese aber nicht wahr, sagt Ornithologe Reibisch. „Eine Rotorspitze bewegt sich mit 350 Stundenkilometern. So eine Geschwindigkeit gibt es im Tierreich nicht.“ Deshalb würden viele tote Seeadler und Rotmilane auch an Zugstrecken gefunden. „Die nehmen die überfahrenen Rehe wahr. Sie kriegen es aber nicht mit, wenn ein Zug mit 120 Stundenkilometern angeknallt kommt.“ (san/dpa)

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