Zustände in Fleischindustrie: „Schande, dass es erst Corona brauchte“
Nach weiteren Corona-Ausbruch in einem Schlachtbetrieb, gibt es deutliche Kritik an der Politik: Die Gewerkschaft für Nahrung und Genuss Gaststätten (NGG) moniert den späten Eingriff bei dem Zuständen in den Unternehmen, die seit Jahren als extrem heikel gelten. Schuld sei die Billig-Produktion: Schlechte Arbeitsbedingungen durch Werkverträge würden zu mangelnder Hygiene führen. Nun kommt es zum Umdenken – zu spät?
Die Bundesregierung kündigte Ende Mai an, dass ab 1. Januar 2021 nur noch Arbeitnehmer des eigenen Betriebes schlachten und Fleisch verarbeiten dürften – ein klares Verbot für Werkverträge. Die NGG glaube an den Plan der Politik, doch er komme zu spät: „Es ist ja tatsächlich eine Schande, dass es Corona brauchte, damit sich etwas ändert in der Branche“, wie ein Sprecher der Gewerkschaft mitteilte. Oftmals könne mit Werkverträgen der Kernbereich des Geschäfts ausgelagert werden. „Die Preise kann man dadurch ganz gut drücken und die Drecksarbeit überlässt man dann irgendwelchen dubiosen Firmen“, sagte der Gewerkschaftler. Die Betriebe selbst würden nur etwa 20 Prozent der Mitarbeiter fest beschäftigen.
Altmaier wolle Verantwortliche zur Rechenschaft ziehen
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) befürwortet die Maßnahmen: „Die Versorgung mit Lebensmitteln ist ein hohes Gut und ich möchte, dass das Vertrauen an Lebensmitteln und an Fleisch „made in Germany“ erhalten bleibt“, sagte der CDU-Politiker dem Deutschlandfunk. Verantwortliche sollten zur Rechenschaft gezogen werden. Das Verbot betreffe industrielle Fleischwerke, auch die von großen Handelsketten und Familienunternehmern. Es ziele aber nicht auf kleine Handwerks-Schlachtereien oder Wurstbestellungen von Verbrauchern im Supermarkt ab. Arbeitsminister Hubertus Heil betonte: „Wir wollen die Kontrollen weiter verschärfen, noch bevor das neue Gesetz zur Arbeitssicherheit in der Fleischindustrie da ist“.
Niedrige Löhne seien die Ursache
Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) verdiene ein osteuropäischer Vollzeitbeschäftigter in Schlachtbetrieben zwischen 1700 und 2000 Euro brutto im Monat. Die deutschen Kollegen bekommen gut 2300 Euro. Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Sabine Zimmermann, sagte, wenn die Löhne schon bei den offiziell registrierten Zahlen im Bereich Vollzeitbeschäftigung niedrig seien, „wie stellen sich die Bedingungen dann erst in den Grauzonen von Werkvertragskonstruktionen, Subunternehmen, Scheinselbständigen und gefälschten Stundenabrechnungen zur Umgehung des Mindestlohns dar?“ Auch die Grünen übten Kritik: „Die Regierung schützt bislang das Geschäftsmodell der Billigfleischproduzenten auf Kosten der Gesundheit“, sagte er Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter der „Passauer Neuen Presse“.
Lebensmittelexperte rät: Augen auf beim Fleischkauf
Auch die Konsumenten müssten ihren Beitrag leisten: „Beim Fleischkauf sollte man generell darauf achten, dass nicht das Billigste auch das Beste ist“, sagte Lebensmittelexperte Bernhard Burdick von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen und erklärte: „Ich würde deshalb nicht den Fleischverzehr skandalisieren, sondern die Arbeits- und Wohnbedingungen“. Seine Empfehlung: Weniger Fleisch essen und dafür tiefer in die Tasche greifen. Konsumenten müssen jetzt aber nicht vor dem Fleischkauf zurückschrecken: Denn Fälle, bei denen das Virus von Lebensmitteln übertragen wurde, gebe es bisher nicht.