Die Job-Revolution: „Flexible Arbeitszeiten – sonst treten viele gar nicht mehr an!“
Das schicke Eckbüro und der Firmenwagen haben ausgedient, jetzt wollen Hamburger flexible Arbeitszeiten, Homeoffice – und jede Menge Sinn in der Arbeit. Der Wertewandel ist einer der großen Trends in der Arbeitswelt, sagt Petra von Strombeck. Sie ist die Vorstandsvorsitzende der Gruppe New Work SE, zu der auch Xing gehört. Mit der MOPO hat sie darüber gesprochen, wie sich unser Berufsleben ändert – und was das für die Jobsuche heißt.
MOPO: Frau von Strombeck, überall ist von „New Work“ die Rede. Aber wird das schon gelebt?
Petra von Strombeck: Ja, absolut. Die Arbeitnehmer suchen heute viel mehr nach Work-Life-Balance und Sinn in der Arbeit. Wir sehen, dass die Unternehmenskultur bei der Auswahl des Arbeitgebers eine große Rolle spielt, ebenso ob er sich sozial und ökologisch verantwortungsvoll verhält. Und die Rahmenbedingungen werden immer wichtiger: Wenn Hamburger nach Jobs suchen, achten drei Viertel von ihnen auf flexible Arbeitszeiten – ohne treten sie eine Stelle gar nicht an. Auch Homeoffice lässt sich nach Corona niemand mehr nehmen. Und das ist nicht nur eine Bubble weniger Wissensberufe. Es ist in der breiten Gesellschaft angekommen.
Hat sich das Machtverhältnis von Arbeitnehmer und -geber wegen des Fachkräftemangels schon umgedreht?
Wir sind zumindest in einem Arbeitnehmermarkt angekommen. Langfristig glaube ich, dass sich Arbeitgeber anstrengen müssen. Das zeigt sich auch im Recruiting: Früher haben Bewerber teils wochenlang nichts gehört. Heute muss man den Prozess in ein bis zwei Wochen abschließen oder man verliert die Kandidaten, denn sie haben mehrere Angebote.
Wenn alles flexibler wird – haben Gewerkschaften dann ausgedient? Sie haben im Sinne der Arbeitnehmer ja gerade feste Rahmenbedingungen ausgehandelt.
Ich denke, es wird auch weiter eine Rolle für sie geben, aber sie nimmt ab. Auf einem Arbeitnehmermarkt gibt es für den Einzelnen aber auch so gute Möglichkeiten, da in den meisten Branchen Arbeitskräfte händeringend gesucht werden. Das wird für Arbeitnehmer nicht nachteilig sein.
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Aber selbst verhandeln ist schwer – besonders, wenn man die Gehälter der Kollegen nicht kennt.
Das stimmt, aber es gibt immer mehr Transparenz. Bei unserem Portal „Kununu“ gibt es neben den Berichten über die Unternehmenskultur auch Gehaltsdaten zur Orientierung. Das Tabu-Thema löst sich auf. Und die Firmen reagieren: Einige geben Gehaltsbandbreiten schon in ihren Ausschreibungen an. Und wir sehen, dass sie damit auch mehr Bewerbungen bekommen.
Der Job-Happiness-Studie von Xing nach sind die meisten Hamburger zwar zufrieden mit ihrem Job,aber fast die Hälfte ist auch wechselbereit. Viel mehr als Bundesschnitt. Woran liegt das?
Ja, das ist erstaunlich. In Hamburg gibt es viele Wissensarbeiter, die häufig auch Wechselmöglichkeiten haben, und die Unternehmen hier suchen nach Kräften. Ohnehin ist die Wechselbereitschaft in Großstädten größer, da man für einen neuen Job nicht unbedingt umziehen muss. Das mögen die Deutschen nicht so gern.
Wie können Unternehmen ihr Personal halten?
Ein großes Thema sind die Unternehmenskultur und wie miteinander kommuniziert und zusammengearbeitet wird. Auch eigenverantwortliches Arbeiten hält Mitarbeiter in Firmen, ebenso wenn sie sich mit ihrer Arbeit identifizieren und das Gefühl haben, einen Beitrag zu leisten. Weitere Faktoren sind flexible Arbeitsbedingungen und ob marktgerecht bezahlt wird. Wir sehen in neueren Studien, dass das Gehalt wieder wichtiger wird, weil die Lebenskosten stark gestiegen sind.
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Knapp ein Drittel der Befragten fühlt sich überlastet. Wird es bei der ganzen Sinnsuche schwerer abzuschalten?
Das glaube ich nicht. Wir sind als Gesellschaft nach mehreren Krisen belastet und ich glaube, dass sich die Veränderungsgeschwindigkeit auswirkt: Die Marktgegebenheiten ändern sich immer schneller, Firmen müssen sich an Krisen anpassen, es gibt neue Themen und die Digitalisierung geht voran. Es stresst, wenn sich das Team und die Technologie dreimal imJahr ändert. Oder wenn Führungskräfte Druck weitergeben. Ich denke, dass der Trend zur Teilzeit weiter voranschreitet.
Wer sind die Verlierer dieses Wandels?
Bei der Beschleunigung und Digitalisierung gibt es nicht nur Gewinner, sondern potenziell auch Verlierer. Firmen müssen Weiterbildungen anbieten, um alle mitzunehmen.
Und was bleibt?
Ich denke, das Büro in zeitgemäßer Form wird bleiben – als Ort der sozialen Interaktion. Ich glaube nicht an eine Welt, in der wir komplett remote arbeiten, und man sich nie persönlich trifft. Und auch das Ziel einer guten Führung bleibt das gleiche: Zusammenhalt im Team. Aber sonst sehen wir sehr viel Veränderung.