Für zehn Euro die Stunde: Mobile Mini-Büros für die Großstadt
Einfach mal in Ruhe arbeiten. Ohne, dass permanent irgendwas dazwischenkommt. Den Wunsch kennen viele im Homeoffice. Insbesondere Eltern. Auch bei Moritz Jüdes (40) war es so – nachdem er zum dritten Mal Vater geworden war. Um einen Rückzugsort zu schaffen, gründete er mit zwei Partnern „Tiny Space“. Ein Berliner Start-up, das sechs Quadratmeter große Tiny Houses als mobile Büros anbietet – für 10 Euro die Stunde. Und das bald auch in Hamburg.
Schon häufiger hat Moritz Jüdes in seiner Berliner „Werkstatt für alles“, einer Tischlerei und Zimmerei, Tiny Houses für Kunden gefertigt. Im vergangenen Winter baute er für einen Bekannten ein gerade mal zweieinhalb Quadratmeter großes Pick-up-House. „Das kleinste Tiny-House der Welt. Darin habe ich viel Zeit verbracht. Da wurde mir klar, dass man auf kleinem Raum ganz wunderbar arbeiten kann“, sagt er. Seine Vision: Tiny Houses auf Nachfrage nutzbar zu machen. Ein Blick auf das Handy und das verfügbare Haus ist gebucht. „So wie beim Car-Sharing.“
Den Prototypen mit großen Fenstern, Whiteboard, Bildschirm und Solarkollektoren auf dem Dach baute Moritz Jüdes im Frühjahr – innerhalb von zwei Monaten. Im Sommer gründete er gemeinsam mit Hans-Gert Stuke (43) und Tim Jaudszims (48), die beide schon mehrere Start-ups gegründet haben, „Tiny Space“. Momentan steht ihr Prototyp in Berlin- Kreuzberg auf einem Anhänger. Direkt am Kanal. Über die Webseite und in Kürze auch per App kann der Kunde die Verfügbarkeit prüfen und das „Tiny Space“ buchen. Allerdings nur von 8 bis 22 Uhr. Übernachten ist in dem Häuschen nicht erlaubt.
Am Schönsten ist es für die Gründer, wie viele unterschiedliche Menschen das Haus bereits genutzt haben. Nicht nur als Büro. „Es ist toll zu sehen, wie hier jemand Klarinette oder Cello übt, wie sich Freunde zum Skat spielen treffen oder Coachings stattfinden“, sagt Moritz Jüdes. Gerade hat bei ihm ein kirchlicher Träger angefragt, ob die Mitarbeiter das Tiny House nutzen können, um an die Jugendlichen auf der Straße ranzukommen. „Das ist so vielfältig. Eigentlich sind wir ein Büroraum. Wir freuen uns aber, dass das Haus auch als sozialer, kultureller und gesellschaftlicher Begegnungsort genutzt wird“, sagt Hans-Gert Stuke.
Die Gründer haben große Pläne. Drei weitere Häuser für Berlin sind fast fertiggestellt. Viele hundert Tiny Houses sollen folgen, die dann von externen Produzenten gebaut werden. „Wir wollen in den nächsten Jahren in allen deutschen und europäischen Städten stehen. In Hamburg werden wir sehr zeitnah präsent sein.“ Der Plan: In der Hansestadt sollen bis Ende nächsten Jahres mindestens zehn „Tiny Spaces“ stehen. An welchen Standorten? Das ist noch unklar. „Wichtig ist, dass es zentrale Plätze mit schönem Ausblick sind. Wir haben mehrere Flächen im Blick, sowohl privat als auch öffentlich“, sagt Hans-Gert Stuke.
Das Tiny House einfach auf einem öffentlichen Parkplatz abstellen, sei eine Grauzone. „Wir sind ein Anhänger mit Ladung und dürfen theoretisch 14 Tage auf einer Fläche stehen. Wenn man es aber kommerziell nutzt, ist das rechtlich nicht eindeutig geklärt“, erklärt Hans-Gert Stuke. Das Start-up will die Häuser jedoch bewusst auf öffentlichen Flächen abstellen, um ein anderes Bewusstsein zu schaffen. „Es kann sinnhafter sein, diese Fläche kulturell und sozial anzubieten, als dort ein Auto parken zu lassen. So gehen wir auch mit den Ordnungsämtern ins Gespräch.“
Ärger gab es deshalb noch nicht. Allerdings startet das Unternehmen auch jetzt erst durch. „Die Häuser sollen so präsent sein wie E-Scooter, die man sich an jeder Ecke mieten kann. Vielleicht alle ein bis zwei Kilometer ein Tiny Space“, erklärt Moritz Jüdes. Leben und arbeiten – das wachse immer weiter zusammen. „Deshalb können wir einen nennenswerten Beitrag zur Zukunft des Wohnens leisten.“