Blutüberströmte Leichen: Polizei in Myanmar schießt auf Demonstranten – mehrere Tote
Rangun –
Kaum ein Tag vergeht ohne neue Horrormeldungen über Polizeigewalt in Myanmar. Die Zahl der Toten steigt immer weiter. Aber die Gegner der Generäle geben nicht auf.
Einen Monat nach dem Beginn der Proteste gegen den Putsch in Myanmar geht die Polizei weiter mit massiver Gewalt gegen Demonstranten vor. In verschiedenen Landesteilen schossen Sicherheitskräfte am Mittwoch erneut mit scharfer Munition und töteten mindestens 18 Menschen, wie lokale Medien und Augenzeugen berichteten.
Tote und Verletzte bei Demonstrationen in Myanmar
In sozialen Netzwerken kursierten erschütternde Fotos von blutüberströmten Leichen. Es wurde befürchtet, dass die Zahl der Opfer noch steigen könnte. Dutzende Demonstranten sollen teils schwer verletzt worden sein.
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In Myingyan im Norden des Landes wurde nach übereinstimmenden Berichten ein junger Mann erschossen, ein anderer in Mawlamyine im Süden. Zwei weitere Demonstranten, ein 37-jähriger Mann und eine 19-jährige Frau, kamen in der Großstadt Mandalay ums Leben, wie das Portal „Myanmar Now“ schrieb. In Monywa starben demnach sieben Menschen.
„Es waren etwa 20.000 Demonstranten auf der Straße, und ich bin sicher, dass die Sicherheitskräfte der Armee angehörten“, sagte ein Journalist vor Ort der Deutschen Presse-Agentur. Auch in der früheren Hauptstadt Rangun, dem Hotspot der Proteste, gab es mindestens sieben Opfer.
Einsatzkräfte greifen immer brutaler durch
Wie viele Menschen insgesamt in den vergangenen Wochen bei den Protesten ums Leben kamen, ist derzeit unklar. Jedoch greifen die Einsatzkräfte seit einigen Tagen immer brutaler durch. Auch am Sonntag waren 18 Menschen getötet worden.
Es war bereits der 30. Tag des Widerstands. Die Sicherheitskräfte setzten wieder Tränengas, Blendgranaten und Gummigeschosse ein, wie das Portal „Eleven Myanmar“ schrieb. Seit dem Putsch von Anfang Februar sollen nach Schätzungen von Aktivisten mehr als 1300 Menschen zumindest vorübergehend festgenommen worden sein.
„Ich gehöre der Studentenvereinigung an, und heute sind mehr als 5000 von uns marschiert“, sagte der 29-jährige Naing Naing Htet. „Ich bin von zwei Gummigeschossen an der Schulter und am Rücken getroffen worden, und ein paar Leute in der Nähe haben mir geholfen.“ Die Polizei habe mindestens 200 Demonstranten inhaftiert, erzählte er.
Papst Franziskus mit eindringlichem Appell
Angesichts der anhaltenden Gewalt soll der UN-Sicherheitsrat erneut über die Krise beraten. Wie mehrere Diplomaten übereinstimmend berichteten, beantragte Großbritannien für Freitag dazu eine Sitzung hinter verschlossenen Türen in New York. Auch am Mittwoch gab es in sozialen Netzwerken wieder Appelle an die Vereinten Nationen, dem Land zu helfen. Immer häufiger bezeichnen Augenzeugen das frühere Birma als „Kriegsgebiet“.
Papst Franziskus äußerte sich erneut besorgt über den Konflikt: „Ich appelliere an die beteiligten Parteien, dass der Dialog die Oberhand gewinnen möge über die Unterdrückung“, schrieb das katholische Kirchenoberhaupt auf Twitter. Er forderte die internationale Gemeinschaft auf, „dafür zu sorgen, dass die Bestrebungen des Volkes von Myanmar nicht erstickt werden“. Franziskus hatte schon im Februar unter anderem eine sofortige Freilassung festgenommener Politiker verlangt.
Regierungschefin unter Hausarrest
Das Militär hatte vor rund einem Monat gegen die faktische Regierungschefin Aung San Suu Kyi geputscht. Als Grund führten die Generäle Unregelmäßigkeiten bei der Parlamentswahl vom November an. Diese hatte Suu Kyi mit klarem Vorsprung gewonnen. Beobachter dokumentierten dabei keine Zeichen von größerem Wahlbetrug.
Die 75-jährige Friedensnobelpreisträgerin sitzt im Hausarrest und muss sich wegen verschiedener Vorwürfe vor Gericht verantworten. Die Demonstranten fordern die Wiedereinsetzung der früheren Freiheitsikone. Suu Yki hatte während der fast 50 Jahre dauernden Militärdiktatur bereits 15 Jahre unter Hausarrest gestanden. Die Armee hatte damals das Land mit eiserner Hand regiert und jeden Widerstand mit brutaler Härte unterdrückt. (dpa)