Die skurrilen Erlebnisse von Reportern, die zu den Taliban reisen
Seit der Machtübernahme der Taliban gibt es kaum noch Flugverkehr nach Afghanistan. Reisen dorthin sind für Reporter dennoch möglich – wenn auch nur umständlich. An der Grenze warten gut gelaunte Taliban.
Auf dem Weg zum Grenzübergang Hairatan dreht der usbekische Taxifahrer das Autoradio auf, „You Can Win If You Want“ von „Modern Talking“ dröhnt aus den Boxen. Auf der anderen Seite des Grenzflusses sitzen Taliban, denen Musik nicht ganz geheuer ist. Fotoscheu sind sie auch, freundlich allerdings ebenso: Die deutschen Reporter, die aus Washington und Rom über Usbekistan angereist sind, werden beinahe enthusiastisch begrüßt. Vor dem Grenzgebäude steigt ein junger Taliban-Kämpfer auf sein Motorrad, er trägt ein amerikanisches M16-Gewehr. Darauf angesprochen, lacht der Islamist. „Amerika ist fertig“, ruft er gut gelaunt, dann knattert er davon.
Einreise nach Afghanistan? Nur über den Landweg!
Seit die Amerikaner „fertig“ sind in Afghanistan, gibt es keine kommerziellen Flüge mehr, eine Einreise ist derzeit nur über den Landweg möglich. Aber: Wer soll das eigentlich genehmigen? Bislang haben naturgemäß die afghanischen Botschaften im Ausland Visa vergeben, sie gehören aber zum Apparat der gestürzten Regierung. Die Übergangsregierung der Taliban wiederum unterhält keine diplomatischen Vertretungen.
Der Mann, der weiterhelfen kann, heißt Mohammad Schafik Achmadsai, er ist im Informationsministerium der Taliban für die Akkreditierung ausländischer Journalisten zuständig. Achmadsai kommuniziert über Whatsapp, seine Sprachnachrichten sind von ausgesuchter Höflichkeit, er beendet sie immer mit derselben Grußformel: „Stay Blessed“ („Bleiben Sie gesegnet“). Die Übergangsregierung der Taliban versucht, sich nach außen hin moderat zu präsentieren – sie ist dringend auf internationale Hilfe angewiesen. Auch Achmadsai ist bemüht – aber macht deutlich: Für ein Akkreditierungsschreiben der Taliban ist ein Visum einer afghanischen Botschaft nötig.
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Bei der Vertretung in Washington hält ein Konsularbeamter die Stellung – und verspricht, sich um den Visumsantrag zu kümmern, sobald einige Technikprobleme behoben seien. Tage gehen ins Land, die Geduld wird strapaziert. Achmadsai antwortet diplomatisch auf die Frage, ob man nicht ausnahmsweise ohne Visum anreisen könne: „Das würde Ihnen sehr große Kopfschmerzen bereiten.“ Im Klartext: nein.
Bald darauf findet der Techniker der Botschaft dann eine Lösung, das afghanische Visum seinen Weg in den Reisepass. Exakt drei Minuten nach seiner Benachrichtigung schickt Achmadsai das Akkreditierungsschreiben; es dient als Passierschein an den vielen Taliban-Checkpoints. „Ich wünsche Ihnen eine sehr angenehme Reise nach Kabul“, schickt Ahmadsai in einer Sprachnachricht hinterher. „Bleiben Sie gesegnet.“