• Ein mit Corona infizierte Patient auf einer Intensivstation in Lissabon.
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„Die Situation ist unvorstellbar“: So dramatisch ist die Corona-Lage in Portugal

Lissabon –

Die Infektionszahlen explodieren, die Krankenhäuser sind völlig überfüllt, die Not ist riesig: Die Corona-Pandemie bringt das kleine Portugal an seine Grenzen. Jetzt soll die deutsche Bundeswehr helfen. Ein Überblick.

„Es ist kein Ende in Sicht“. Die Krankenschwester im Cascais Krankenhauses in der Nähe von Lissabon ist wie alle ihre Kolleginnen und Kollegen nah am Limit. Die Nachrichtenagentur Reuters hat die Klinik besucht – und schreckliche Szenen beobachtet.

Portugal: Infektionszahlen steigen seit Dezember rapide an

Die Corona-Situation in ganz Portugal ist derzeit dramatisch. Dabei kam das kleine Land bisher eigentlich einigermaßen glimpflich durch die Pandemie – doch seit Ende Dezember steigen die Infektionszahlen rapide an.

Betten stehen bereit, um im Falle einer Überlastung der Krankenhäuser Corona-Patienten aufzunehmen

Betten stehen in einer Sporthalle bereit, um im Falle einer Überlastung der Krankenhäuser Corona-Patienten in dem Feldlazarett aufzunehmen.

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Vergangene Woche haben sich laut der John-Hopkins-Universität täglich mehr als 12.000 Menschen mit dem Virus angesteckt, rund 300 sind gestorben – und Portugal hat nur 10,3 Millionen Einwohner. Auf Deutschland hochgerechnet wären das rund 130.000 Infektionen und mehr als 2300 Tote binnen 24 Stunden.

Bürgermeister: „Lage hat das Potenzial zur Katastrophe“

Auch ist Portugals Sieben-Tage-Inzidenz von 848,8 die höchste weltweit. Im Großraum Lissabon lag sie zuletzt sogar über 1100! Zum Vergleich: In Deutschland war die Inzidenz am Wochenende bei 95,5. Ministerpräsident António Costa sagte, die Corona-Lage im Land sei „sehr schlimm.“

Von überall gibt es Hilferufe: „Die Lage hat das Potenzial zu einer Katastrophe“, schrieb etwa der Bürgermeister von Torres Vedras, einer Küstenstadt nördlich von Lissabon, vergangene Woche in einem Brief an die höchsten Stellen des Staates. Es mangele an Ärzten und Pflegepersonal.

Gesundheitsministerin: Situation sei „unvorstellbar“

Und die Lage spitzt sich weiter zu: Am Samstag teilte das Gesundheitsministerium mit, dass von den 850 für Covid-19-Patienten verfügbaren Intensivpflegebetten 843 belegt seien – und auf dem portugiesischen Festland somit nur noch sieben Intensivbetten frei seien.

Es gibt zwar noch 420 weitere Intensivpflegebetten, die sind aber für andere Krankheiten reserviert. Marta Temido, die portugiesische Gesundheitsministerin, beschrieb die Situation in den Krankenhäusern als „unvorstellbar“.

Mehr als ein Dutzend Krankenwagen stehen Schlange

Mehr als ein Dutzend Krankenwagen stehen Schlange, um ihre COVID-19-Patienten im Santa Maria Krankenhaus an die Sanitäter zu übergeben.

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Vor den öffentlichen Kliniken in Lissabon warteten die Krankenwagen zuletzt in meterlangen Schlangen, um Covid-Patienten anzuliefern. Laut „Spiegel“ standen einige von ihnen bis zu neun Stunden dort! Intensivpatienten sollen im Wagen mit Sauerstoff notbeatmet worden sein, ein Arzt sprach von „kriegsartigen Zuständen“.

Bundesregierung erklärt Portugal zum Hochrisikogebiet

Und selbst wer es bis drin schaffte, dem konnte oft nicht geholfen werden: Portugal geht der Sauerstoff zur Beatmung der Patienten aus. Viele Ärzte und Pfleger sind selbst mit dem Virus infiziert.

Grund für den drastischen Corona-Anstieg ist die britische Virusmutation, die Schätzungen zufolge mittlerweile schon rund 60 Prozent der Neuinfektionen ausmachen könnte. Premierminister Antonio Costa sagte letzten Mittwoch, dass auch lockere Beschränkungen über Weihnachten die Situation verschlechtert hätten.

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Die deutsche Bundesregierung hat Portugal zum Hochrisikogebiet erklärt, zudem zählt es laut RKI zu den Virusvariantengebieten. Das Land ist somit neben Großbritannien, Südafrika, Irland und Brasilien, in denen die ansteckenden Virusmutationen grassieren, von den seit Samstag bestehenden Einreisesperren nach Deutschland betroffen.

Und auch Portugal selbst hat sich abgeriegelt. Seit gestern dürfen Bürger nicht mehr ohne besonderen Grund ausreisen – das soll zunächst bis zum 14. Februar gelten. An der Landesgrenze zu Spanien wurden wieder Kontrollen eingeführt, genau wie an Häfen und Flughäfen.

Portugal bittet Deutschland um Hilfe

Ausnahmen gelten unter anderem für Menschen, die zur Arbeit fahren, an ihren Hauptwohnsitz zurückkehren oder beruflich unterwegs sind, für den Warentransport sowie für medizinische Notfälle oder humanitäre Hilfe. Schon 2020 war die Landesgrenze zu Spanien vom 17. März bis zum 1. Juli monatelang geschlossen gewesen.

Mitarbeiter des Curry Cabral Hospital transportieren einen COVID-19-Patienten auf einer Trage.

Mitarbeiter des Curry Cabral Hospital transportieren einen COVID-19-Patienten auf einer Trage.

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Die Lage ist so ernst, dass Portugals Regierung mittlerweile ein Hilfeersuchen an Deutschland gestellt hat, woraufhin die Bundeswehr ein Erkundungsteam entsandte, um die Corona-Lage zu beurteilen. Nun soll ein weiteres Team von 27 Ärzten und Sanitätern nach Portugal geschickt werden, um in den überlasteten Krankenhäusern auszuhelfen.

Portugal: Bald Material und Personal aus Deutschland?

Außerdem sei die Lieferung von Feldkrankenbetten und Beatmungsgeräten geplant. Das Ausfliegen von Patienten nach Deutschland sei zunächst aber nicht geplant, so der „Spiegel“. „Nach jetzigem Kenntnisstand wird es sich um materielle und personelle Hilfe handeln“, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Berlin. Die genaueren Details sollen noch geprüft werden.

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Politiker und Mediziner hoffen, dass die steigende Impfquote im Land für Besserung sorgt. Denn aktuell gibt es sonst kaum Licht am Ende des Tunnels.  Dulce Gonçalves, der Pflegedienstleiter der Cascais-Klinik sagte zu Reuters: „Wissen Sie, es ist nicht nur hier im Krankenhaus, wo es eine Schlacht gibt. Es ist in jedermanns Haus.“

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