Schild mit Aufschrift: Abschiebung
  • Nach dem Sturz des Diktators erwarten einige Politiker die schnelle Abschiebung von Syrern.
  • Foto: picture alliance / CHROMORANGE | Michael Bihlmayer

Abschieben nach Syrien? Erst muss Europa seine Hausaufgaben machen!

Der Fall von Syriens Machthaber Baschar al-Assad weckt in Deutschland die Hoffnung auf einen Neuanfang in der Region. Innenpolitisch rückt nun die Frage in den Mittelpunkt, was mit den Hunderttausenden syrischer Flüchtlinge hierzulande passieren soll. Viele in Berlin träumen bereits von massenhaften Rückführungen. Doch zuvor müssten die Europäer ihre Hausaufgaben machen.

„Wir haben in den letzten Jahren unsere humanitären Verpflichtungen übererfüllt“, erklärt beispielsweise Unionsfraktions-Vize Andrea Lindholz (CSU). Sollte es irgendwann zu einer Befriedung in Syrien kommen, entfalle für viele Syrer auch „die Schutzbedürftigkeit und damit der Grund für ihr Aufenthaltsrecht in Deutschland“, fügte sie hinzu. Aus der AfD und dem BSW sind ähnliche Töne zu vernehmen.

BAMF setzt Bearbeitung von Anträgen aus

Laut Statistischem Bundesamt lebten Ende 2023 etwa 712.000 syrische Schutzsuchende in Deutschland. Bisher werden sie geduldet, da nach Syrien nicht abgeschoben werden konnte. Es herrschte 14 Jahre lang Bürgerkrieg. Nun hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) angekündigt, Asylanträge von Syrern vorerst nicht mehr zu bearbeiten. Dazu sei die Lage in Syrien momentan zu unübersichtlich. Jede Entscheidung stehe derzeit „auf tönernen Füßen“, hieß es zur Begründung.

Die Zurückhaltung des Amts ist verständlich. Trotzdem wird die Rückführung von Syrern bald auf die politische Tagesordnung kommen. Sollte sich die Situation im östlichen Mittelmeer verbessern, wird ein Großteil der Syrer abgeschoben werden. Es gibt dafür ein historisches Vorbild: Als 2001 der Krieg auf dem Balkan unter den Nachfolgestaaten Jugoslawiens endgültig endete, wurden Hunderttausende Menschen aus Deutschland in kurzer Zeit in die Region abgeschoben. Funfact: Viele der damals abgeschobenen Kinder sind heute wieder in Deutschland. Sie arbeiten nicht zuletzt auf Grund ihrer Sprachkenntnisse vor allem in Süddeutschland als Krankenschwestern oder Paket-Zusteller.

Eine neue Verfassung und Wahlen müssen das Ziel sein

Bevor die Diskussion um Rückführungen von Syrern hierzulande ernsthaft beginnen kann, müssen die Europäer aber erst einmal ihre „Hausaufgaben“ machen: Europa sollte nun den Prozess in Syrien unterstützen, der idealerweise zu mehr Stabilität führt. So wäre die Umsetzung der Resolution 2254 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen ein wünschenswertes Ziel. Der Beschluss von 2015 sieht die Ausarbeitung einer Verfassung sowie Wahlen unter Aufsicht der UN vor.

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Der kommende US-Präsident Donald Trump hat bereits angekündigt, sich in Syrien nicht einmischen zu wollen. Auf einer zivilen Ebene sollte das für die Europäer aber keine Option sein. Denn es ist in unserem nationalen Interesse, dass diese historische Chance nicht ungenutzt verstreicht. Nur eine Stabilisierung Syriens wird es uns ermöglichen, viele Syrer zurückzuführen und neue Flüchtlingsströme zu verhindern. Das darf uns auch Geld und diplomatische Anstrengung kosten. Denn es wäre aus humanitärer Sicht richtig und würde der AfD und auch dem BSW viel Wind aus den Segeln nehmen.

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