Abschieben und Abreißen: Der frivole Extremismus der AfD
Die AfD könnte bei der Bundestagswahl die zweitstärkste Kraft werden. Ihr Programm: Abschotten, Abreißen und Rauswerfen. Mit dieser Ausrichtung bekommt man das schlingernde Land zwar nicht wieder flott. Und man findet auch keine Koalitionspartner. Aber darum geht es Alice Weidel und ihren Kadern auch nicht. Sie träumen von der Macht in einigen Jahren.
Die „reine radikale Lehre“ oder etwas gemäßigter auftreten, um für die Mitte der Gesellschaft anschlussfähiger zu sein? Mit dieser Richtungsentscheidung hat sich die AfD lange gequält. Der jüngste Parteitag in Riesa und einige Wahlkampf-Manöver scheinen die Frage beantwortet zu haben: Der radikale Flügel hat sich fürs Erste durchgesetzt.
Fast ein Jahr lang hatte die Führungsriege der AfD den Begriff „Remigration“ gemieden. Darunter wird allgemein die Ausweisung aller Nicht-Deutschen verstanden – egal welchen Aufenthaltsstatus sie hierzulande haben. Auf dem Parteitag bekannte sich Weidel ganz offen dazu: „Wenn es dann Remigration heißt, dann heißt es eben Remigration“, rief sie trotzig unter dem Jubel der Delegierten.
Ein Schritt zu auf die streng völkischen Mitglieder
Beobachter gehen davon aus, dass Weidel einen großen Schritt auf die völkischen Parteimitglieder zugemacht hat, weil sie ihnen an anderer Stelle wehtun musste bzw. wollte: Die Jugendorganisation „Junge Alternative“ (JA) wird abgeschafft. Sie soll durch eine neue ersetzt werden. Die „JA“ gilt in vielen Bundesländern als „gesichert rechtsextrem“. Sie hat ein Parteiverbot der AfD wahrscheinlicher gemacht.
Allerdings ist dieser Schritt eher auf die Zukunft gerichtet. In der Gegenwart ist die Partei radikaler denn je. Sie scheint zu wissen, dass es für sie 2025 keine Machtperspektive gibt. CDU-Chef Friedrich Merz hat sein politisches Schicksal auf Bundesebene einigermaßen glaubwürdig mit der „Brandmauer“ gegen die AfD verknüpft. Das führt dazu, dass die AfD gerade alle Hemmungen fallen lässt: So erklärte Weidel in einem Gespräch mit Elon Musk Adolf Hitler kurzerhand zu einem Kommunisten, sprach später von den „Windmühlen der Schande“ (Windräder), die sie abreißen lassen will. Das gefällt zwar allen Grünen-Hassern, ist aber in der Gesellschaft laut Umfragen alles andere als mehrheitsfähig – und wäre ökonomisch für alle ein Debakel. So macht man sich selbst jedenfalls nicht koalitionsfähiger.
In Karlsruhe verschickt die AfD „Abschiebetickets“
Noch krasser ist eine Aktion der AfD in Karlsruhe. Dort hat die Partei „Abschiebetickets“ an Menschen mit Migrationshintergrund verschickt. Aufgemacht wie ein Flugticket. Frivoler Ausländerhass als offensiv vorgetragenes Wahlprogramm! Die Aktion lehnt sich an die NPD und die NSDAP an, die in den 90er bzw. 30er Jahren Ähnliches taten. Handelt es sich dabei um einen „Ausrutscher“? Keineswegs: Weidel hat die „Abschiebetickets“ indirekt gebilligt. „Abschiebung mit Abschiebeticket statt Erkundungsreise!“, kommentierte sie kürzlich auf Twitter/X einen Bericht über Syrer, die nach dem Umsturz probeweise in ihre Heimat zurückkehren sollen.
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Die immer schrilleren Töne von Weidel & Co. scheinen der Partei in den Umfragen nicht zu schaden. Trotzdem steht zu erwarten, dass die AfD nach der Bundestagswahl ihre Strategie ändern wird. Die Partei hat das Ziel, 2029 den Kanzler zu stellen – vor allem in einer Welt, in der in den USA, in Österreich und womöglich auch in Frankreich längst Gesinnungsgenossen regieren.
Die AfD könnte sich an Frankreich orientieren
Dazu ist es aber aus Sicht der AfD-Strategen notwendig, öffentlich etwas gemäßigter aufzutreten, um eben in der Mitte punkten zu können. Das große Vorbild dabei ist Marine Le Pen aus Frankreich, die zwar nach wie vor radikal daherredet, aber sogar ihren eigenen Vater und Parteigründer Jean-Marie Le Pen aus der Partei warf, weil dessen offener Antisemitismus in den Umfragen viele abgeschreckt hat. Es könnte also sein, dass sich der völkische Teil der AfD jetzt noch einmal öffentlich „austoben“ darf, bevor er in der neuen Wahlperiode in den Hintergrund gedrängt wird.
Es liegt an den anderen Parteien und im Besonderen an der nächsten Regierung, dieses Szenario zu verhindern. Dazu wäre aber wirklich gutes Regieren notwendig – und die Überwindung so manch naiver Vorstellung beim Thema Migration.
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