Asylpolitik: Ein Überbietungs-Wettbewerb in der EU führt zu nichts
Wenn es in diesem Jahr einen Megatrend innerhalb Europas gegeben hat, dann diesen: Fast alle Länder haben ihre Asylregeln verschärft. Auch die Bundesregierung trägt dazu ihren Anteil bei. Auf dem am Donnerstag gestarteten EU-Gipfel versuchen die Staats- und Regierungschefs nun mühsam, eine gemeinsame Linie zu finden. Ein schwieriges Unterfangen.
Der pro-europäische polnische Ministerpräsident Donald Tusk hat kürzlich angekündigt, das Asylrecht an der Grenze zu Belarus vorübergehend auszusetzen. Hintergrund: Russland und Belarus schicken gezielt muslimische Flüchtlinge über die Grenze, in der Hoffnung, den Westen damit weiter zu destabilisieren. Bisher war es in Polen zwar nicht offizielle, aber doch gängige Praxis, die Flüchtlinge einfach direkt nach Deutschland weiterzuschicken. Seitdem die Ampel Grenzkontrollen eingeführt hat, geht das aber nicht mehr ohne weiteres.
Viele Länder fahren inzwischen ihren ganz eigenen Film
Und auch andere Länder fahren beim Thema Asyl inzwischen ihren ganz eigenen Film: Die Regierung in Italien hat in dieser Woche ein erstes Zentrum in Albanien eröffnet, in dem Migranten künftig ihr Asylverfahren abwarten sollen. Die Niederlande will – wie Ungarn – das EU-Asyl-System komplett verlassen und verhandelt mit Uganda über ein Asylzentrum. Die Liste ließe sich fortsetzen.
All dies kommt fünf Monate, nachdem die EU sich auf schärfere allgemeine Asylregeln verständigt hatte. Sie sind bereits wieder überholt, viele Mitgliedsländer wollen noch schärfere Regeln. Das hat auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verstanden. Sie hat angekündigt „innovative Wege“ gehen zu wollen – und meint damit unter anderem auch Asylzentren, die von der EU direkt betrieben werden oder europaweit einheitliche Regeln für die Abschiebung.
Entscheidend ist, geltendes Recht durchzusetzen
Die Ampel hat ihren Asylkurs nach dem Anschlag von Solingen mit einem „Sicherheitspakt“ ebenfalls verschärft. Bis zu einem gewissen Grad ist das nachvollziehbar. Aber all das nutzt in Wahrheit wenig. Denn das Problem sind auch bisher nicht zu lasche Gesetze gewesen. Sondern vielmehr der Vollzug eben dieser: So verlassen in der EU beispielsweise nur etwa 20 Prozent der Asylbewerber nach einer gerichtlichen Ablehnung ihres Gesuchs ihre Gastländer auch wieder. Wer kommt, darf als de facto fast immer bleiben. Zudem haben Länder wie Italien Flüchtlinge bisher rechtswidrig einfach nach Norden „durchgewinkt“. Und viele Herkunftsländer nehmen ihre Landsleute nicht zurück, obwohl sie dazu verpflichtet sind.
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Tatsächlich ist es deshalb kritisch, wenn sich die EU nun – getrieben von Rechtspopulisten – in einen Überbietungswettbewerb begibt, wer die schärfsten Gesetze verabschieden kann. Solange nicht geltendes Recht durchgesetzt wird, kann ein solches Vorgehen nur zu Enttäuschungen in der Bevölkerung führen. Diese will zwar eine Durchsetzung des Rechts – aber ihr Europa in zehn Jahren auch noch wiedererkennen können. Und dazu gehört nun mal auch die Errungenschaft des Asylrechts.