Syrische Flüchtlinge kommen nach Hamburg

Syrer fliehen mit dem Bus nach Hamburg. Foto: dpa

Individuelles Asylrecht abschaffen? Dieser Vorstoß macht gar nichts besser

Mitten in die Koalitionsverhandlungen von Union und SPD platzt ein hoher Staatsbeamter mit einem radikalen Vorschlag: Hans-Eckhard Sommer, Präsident des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), will das individuelle Asylrecht in Deutschland abschaffen. Was in manchen Ohren gut klingen mag, ist in Wahrheit nur eine Scheinlösung.

Sommer hatte in einer Rede ein „gänzlich neues Schutzsystem“ gefordert, in dem das individuelle Asylrecht nicht mehr gelten soll. Laut Sommer soll es künftig stattdessen eine großzügig bemessene „humanitäre Aufnahme“ aus verschiedenen Ländern geben. Für ganz Europa schwebt dem Spitzenbeamten eine Zahl zwischen 300.000 bis 400.000 Personen vor. Das jetzige System ermögliche in Wahrheit gar keine Begrenzung der Zuwanderung und bevorzuge nur die (finanz-)stärksten Flüchtlinge statt die wirklich Bedürftigen, argumentiert Sommer. Zudem sei die Belastbarkeit der deutschen Gesellschaft in Sachen Migration erreicht.

Es stimmt: Viele Kommunalpolitiker aller politischen Farben sehen sich inzwischen an der Grenze des Leistbaren. Zudem ist kaum zu bestreiten, dass ein Gefühl der Überforderung bei der Zuwanderung vor allem der rechtspopulistischen AfD in die Hände spielt.

In der Asylpolitik hat sich zuletzt einiges geändert

Allerdings erweckt Sommer mit seinen Aussagen den Eindruck, als ändere sich in der Asylpolitik seit Jahren nichts. Das ist allerdings nur bei oberflächlicher Betrachtung richtig. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erteilte dem Vorstoß Sommers eine klare Absage. Sie verwies auf die Asylpolitik der Ampel, die mithilfe von Binnengrenzkontrollen seit Oktober 2023 etwa 50.000 Menschen zurückgewiesen und rund 2.000 Schleuser aus dem Verkehr gezogen habe. Zudem sei die Zahl der Asylerstanträge 2024 um etwa 100.000 auf knapp 230.000 gesunken. Gut 20.000 Menschen seien abgeschoben worden, 55 Prozent mehr als 2022. Außerdem sei es der Ampel gelungen, eine EU-Verordnung aufs Gleis zu setzen, die 2026 in Kraft tritt und das weitgehend dysfunktionale aktuelle „Dublin-System“ ersetzen soll.

BAMF-Chef Hans-Eckhard Sommer fordert das Ende des individuellen Asylrechts. picture-alliance/ dpa/Soeren Stache
BAMF-Chef Hans-Eckhard Sommer fordert das Ende des individuellen Asylrechts.
BAMF-Chef Hans-Eckhard Sommer fordert das Ende des individuellen Asylrechts.

Ob diese EU-Verordnung Erfolg im Sinne einer Begrenzung bringt? Das muss die Praxis zeigen. Sicher ist: Sommers Vorschläge wirken eher wie Scheinlösungen. Aus verschiedenen Gründen: Das Bundesverfassungsgericht hat das Asylrecht im Prinzip immer wieder bekräftigt. Zudem gibt es gewaltige andere juristische Hürden, beispielsweise bei der notwendigen Änderung der Genfer Flüchtlingskonvention.

Migration würde mit Kontingenten nicht einfach aufhören

Und ist es nicht ein Denkfehler anzunehmen, dass die irreguläre Migration aus aller Welt plötzlich stoppen würde, nur weil Europa Flüchtlings-Kontingente einführt? Dafür spricht jedenfalls wenig. Und sollte sich Europa auf Kontingente einigen, dann läge die Zahl realistischerweise eher bei 30.000 als bei 300.000. Und schließlich braucht Deutschland durchaus weiterhin Arbeitskräfte aus dem Ausland. Nicht nur IT-Spezialisten, sondern vor allem Menschen für den Dienstleistungssektor.

Der Vorstoß von Sommer, der einst von CSU-Innenminister Horst Seehofer berufen wurde, kommt wohl nicht ganz zufällig. Denn mit dem bisherigen parlamentarischen Geschäftsführer der Union im Bundestag, Thorsten Frei, sitzt mindestens ein Verhandler in den aktuellen Koalitionsgesprächen in Berlin, der Sommers Linie eins zu eins vertritt. Dass sich ein eigentlich zur politischen Neutralität verpflichteter Spitzenbeamter genau zu diesem Zeitpunkt so einlässt, hinterlässt also zumindest einen schalen Beigeschmack.

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