Der erste Krankheitstag ohne Lohnfortzahlung? Eine unverschämte Idee!
Haben Sie auch ein Schreiben bekommen? Die allermeisten Krankenkassen haben ihre Beiträge zum Jahresbeginn noch einmal kräftig erhöht. Oliver Bäte, Chef des Versicherungsriesen Allianz, hat deshalb via „Bild“ einen „Spar-Vorschlag“ unterbreitet, der die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall schleift: Arbeitnehmer sollen die Kosten für den ersten Fehltag selbst tragen. In welcher Welt lebt dieser Mann?
Im Krankheitsfall beginnt die Lohnfortzahlung für Arbeitnehmer mit dem ersten Tag, auch wenn dem Arbeitgeber erst am dritten Fehltag ein ärztliches Attest vorgelegt werden muss. Ist der Vorschlag von Bäte also berechtigt? Zuallererst einmal ist er Ausdruck eines generellen Misstrauens gegenüber allen Arbeitnehmern. Da schwingt der Vorwurf mit, diese würden eben gerne mal „blau machen“.
Die meisten Angestellten schleppen sich krank zur Arbeit
Durch irgendwelche Statistiken ist dieser Vorwurf allerdings nicht belegt. Im Gegenteil. Vieles deutet darauf hin, dass sich die meisten Angestellten sogar noch krank zur Arbeit schleppen. Und: Für einen gut verdienenden Allianz-Chef mag es keinen großen Unterschied machen, ob er einen Tag im Monat weniger bezahlt wird, oder nicht. Für die allermeisten Arbeitnehmer macht es womöglich am Ende des Monats einen gewaltigen Unterschied in der Geldbörse.
Die SPD hat den Vorschlag bereits zurückgewiesen. Auch der Arbeitnehmer-Flügel der CDU hält davon nichts. Allerdings signalisiert Unionsfraktionsvize Sepp Müller Zustimmung. Er nannte den Vorschlag einen „altbewährten Ansatz“. Es ist also durchaus möglich, dass dieser Vorschlag in einigen Monaten neu diskutiert wird.
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Und tatsächlich ist es so, dass die gesetzlichen Krankenkassen immer häufiger in Geldprobleme geraten. Die Möglichkeiten, an frische Mittel zu kommen, sind begrenzt. Das geht im Wesentlichen über Beitragserhöhungen (für Arbeitnehmer und Arbeitgeber) oder über höhere Steuerzuschüsse.
Erst einmal die eigenen Strukturen klar kriegen!
Bevor Bäte & Co. auf die Idee kommen, immerzu die Beitragszahler zu schröpfen, könnten sie auch erst einmal vor der eigenen Tür kehren: eine konsequente Digitalisierung würde ebenso helfen, massiv Geld zu sparen wie die zahlreichen eigentlich versicherungsfremden Leistungen (zum Beispiel Homöopathie) zu streichen. Und auch ein bürokratischer Wasserkopf bei Dutzenden Krankenkassen hilft nicht gerade, die Beitragssätze stabil zu halten. Um von der Auflösung der privaten Krankenversicherung erst gar nicht zu reden.
Bevor diese Probleme nicht gelöst sind, sollte es niemand wagen, die Arbeitnehmer mit solch unverschämten Vorschlägen zu behelligen.