Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) steht vor den entscheidenden Wochen seiner Kanzlerschaft.
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Die Ampel muss weg? Das ist gleich aus mehreren Gründen grober Unfug

AfD-Chefin Alice Weidel hat ausnahmsweise mal recht: Die Wahlergebnisse in Thüringen und Sachsen sind wirklich „historisch“. Erstmals hat eine rechtsextreme Partei bei einer Landtagswahl die meisten Stimmen geholt. Und noch nie sind die Parteien, die die Bundesregierung stellen, auf ein so miserables Ergebnis gekommen: In Thüringen hat Sahra Wagenknechts BSW mehr Stimmen geholt als SPD, Grüne und FDP zusammen, Höcke ist sogar dreimal so stark wie die Ampel-Vertreter. Und in Sachsen reicht es nicht mal mehr für eine Koalition aller Parteien der demokratischen Mitte. Kurz: Es ist verheerend. Zeit für einen echten Kanzler.

Da liegt es nahe zu sagen: Die Ampel ist schuld, die Ampel muss weg. Das ist aus gleich drei Gründen zu kurz gedacht. Erstens: Schauen wir uns an, was AfD und BSW stark macht. Beim BSW ist es der Ukraine-Krieg. Wagenknechts Forderungen sind bekannt: „Friede“ mit Russland, Deutschland raus aus NATO und EU. Bei Neuwahlen würde Wagenknechts Truppe mit diesem abwegigen Programm einen beachtlichen Erfolg einfahren. Wäre damit irgendwas gewonnen?

Nichts befeuert die AfD so sehr wie die unkontrollierte Migration

Zweitens: Das Thema, das die von Fliehkräften durchsetzte AfD befeuert wie sonst nichts, ist die unkontrollierte Migration nach Deutschland. Sind die Zahlen hoch, sind es auch die der AfD – und umgekehrt. Doch an der Misere hat die CDU mindestens genau so viel Anteil wie die Ampel, schließlich war sie es, die jahrelang Kanzleramt und Innenministerium besetzte. Das hat gerade erst auch Friedrich Merz eingestanden. Die jetzt von CDU und CSU als ultimativ geforderte „Notlage“ samt Grenzschließung und Zurückweisung von Asylbewerbern hat 2015 noch Angela Merkel höchstpersönlich verhindert, die Bundespolizei stand damals bereit. Der Ampel kann man vorwerfen, das Thema massiv unterschätzt zu haben – faktisch hat sie mehr umgesetzt als alle Merkel-Kabinette zuvor.

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Drittens ist diese Regierung für vier Jahre gewählt. In Frankreich sehen wir gerade, wie verheerend es sein kann, im Angesicht eines rechtsextremen Wahlsiegs auf Neuwahlen als Lösung zu setzen – dort gibt es bis heute keine neue Regierung. Und Marine Le Pen lacht sich ins Fäustchen beim Gedanken an die nächste Präsidentenwahl, sie muss nur sagen: „Wählt mich oder das Chaos“.

Wahldesaster im Osten: Jetzt kommt es auf Olaf Scholz an

Damit kommt es jetzt auf Olaf Scholz an. Der Hamburger steht vor den wohl entscheidenden Wochen seiner Kanzlerschaft. Seine Regierung hat die Aufgabe, eine entscheidende Wende beim Thema Einwanderung hinzukriegen. Die Chancen stehen dabei so gut wie lange nicht: Zum ersten Mal seit Jahren führen wir im Land eine zwar in Teilen überdrehte, aber im Kern offene Diskussion, alles kommt auf den Tisch, die Regierungsparteien wissen, dass ihr Schicksal von Erfolg oder Misserfolg abhängt. Die größte Oppositionspartei ist zur Kooperation bereit, der Bundespräsident mahnt zu Eile, Geschlossen- und Entschlossenheit.

Den Kräften der Mitte muss es jetzt gelingen, das Asylsystem so aufzustellen, dass es den Realitäten des 21. Jahrhunderts gerecht wird. Sie müssen das schwer durchschaubare Geflecht aus Gesetzen, Urteilen und internationalen Verträgen lichten, um der Politik wieder Entscheidungsspielraum zu geben, ohne dabei den Rechtsstaat zu gefährden. Das ist alles andere als einfach. Aber alles andere könnte zu Wahlergebnissen auf Bundesebene führen, wie wir sie jetzt noch nur im Osten erleben.

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