Herbert Kickl von der rechtsextremen FPÖ hat sehr gute Chancen österreichischer Bundeskanzler zu werden.
  • Herbert Kickl von der rechtsextremen FPÖ hat sehr gute Chancen, österreichischer Bundeskanzler zu werden.
  • Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Heinz-Peter Bader

Ein rechtsradikaler Kanzler in Wien? Der historische Verrat der Konservativen

Was sich dieser Tage in Österreich abspielt, hat für Westeuropa eine völlig neue Qualität. Wenn kein mittelgroßes politisches Wunder mehr geschieht, wird demnächst der waschechte Rechtsradikale Herbert Kickl (FPÖ) Regierungschef in Wien sein. Als Steigbügelhalter bieten sich die Konservativen an. Es wäre naiv zu glauben, in Deutschland gäbe es keine Politiker von Rang, die auf ein ähnliches Szenario in Berlin schielen.

Die konservative ÖVP hätte mit der SPÖ eine knappe und im Bund mit den liberalen „Neos“ sogar eine komfortable Mehrheit im Wiener Parlament gehabt. Doch die demokratischen Parteien schafften es nicht, ihre Differenzen zu überwinden. Ein historisches Versagen! Die deutsche „Ampel“ ist wenigstens in Regierungsverantwortung gescheitert. Die Parteien der Mitte in Österreich scheitern bereits, ohne Verantwortung zu tragen. Nach dem Ende der Koalitionsgespräche bot der neue ÖVP-Chef Christian Stocker der FPÖ Gespräche zur Regierungsbildung an. Die ÖVP wäre in dieser Konstellation der Juniorpartner. Die Konservativen hatte bisher ein Bündnis mit der FPÖ strikt ausgeschlossen. Kickl sei eine „Gefahr für die Demokratie“. Offenbar alles vergessen …

Österreich – politisch schon immer etwas seltsam

Österreich war politisch schon immer etwas seltsam. Hier erlebte die Welt in den 90er Jahren mit Jörg Haider die Geburt des europäischen Rechts-Populismus. Dort regierte mit Sebastian Kurz jüngst ein populistischer Systemgegner als Kanzler. Und vor einigen Monaten bestimmten die Bürger Kickl zum Wahlsieger, der als Innenminister (2017-19) gern in Fantasie-Uniformen auftrat.

Beim Thema Migration und Steuern würden sich Konservative und FPÖ wohl schnell einigen. Die FPÖ will allerdings die Westbindung Österreichs beenden und enger mit Wladimir Putin zusammenarbeiten. Wird die ÖVP diesen Verrat an 70 Prozent der Österreicher, die dies ausweislich der Wahlen nicht wollen, begehen? Vieles deutet darauf hin.

Österreichische Verhältnisse als Vorbild für Deutschland?

In Deutschland werden die Vorgänge in Wien momentan genauestens beäugt. Hierzulande gilt in der Union offiziell noch eine „Brandmauer“ gegenüber der AfD. Aber hält diese auch nach der Bundestagswahl? Es gibt Kräfte, die diese gerne niederreißen würden. In der Union würden viele auch gerne wieder enger mit Russland zusammenarbeiten.

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Da fiele einem beispielsweise Markus Söder (CSU) ein. Der bayerische Ministerpräsident fürchtet eine Deindustrialisierung seines Bundeslandes. Was könnte da helfen? Richtig: (scheinbar) billiges russisches Gas! Mit den Grünen wäre das nicht so ohne weiteres zu haben. Im Gespann mit der AfD käme man mit dem Kreml wohl schnell wieder ins Geschäft. Die AfD dürfte in diesen Plan-Spielen erst einmal nur als Junior-Partner vorkommen. Aber so hat es in Österreich auch einst angefangen. Heute steht ein Rechtsradikaler an der Schwelle zum Kanzleramt in Wien.

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