Dieses Bild hat die Bundesregiering veröffentlicht. Es zeigt Olaf Scholz (SPD,r.) und berater im Gespräch mit Wladimir Putin.
  • Dieses Bild hat die Bundesregiering veröffentlicht. Es zeigt Olaf Scholz (SPD, r.) und Berater im Gespräch mit Wladimir Putin.
  • Foto: picture alliance/dpa/Bundesregierung | Kugler, Steffen

Freigabe von US-Raketen für Ukraine: Putins Bluff und Scholz‘ Problem

Die USA ändern ihren Ukraine-Kurs und erlauben dem angegriffenen Land künftig, ihre Waffen auch gegen Militäranlagen tief in russischem Gebiet einzusetzen. Der von AfD und BSW herbeifantasierte dritte Weltkrieg wird deshalb auch diesmal nicht ausbrechen. Die Hoffnung auf Frieden bleibt aber trotzdem gering, wie nicht nur das jüngste Telefonat von Kanzler Olaf Scholz (SPD) mit Wladimir Putin gezeigt hat.

Noch-US-Präsident Joe Biden erlaubt der Ukraine nun in der Region Kursk, worum sie seit Jahren bittet: den Beschuss von russischem Territorium mit US-Waffensystemen, die bisher einer Reichweitenbeschränkung unterlagen. Dort hat die Ukraine vor einigen Monaten russisches Gebiet erobert – als Faustpfand für mögliche Friedensverhandlungen.

Biden lässt nochmal die Muskeln spielen

Aber warum ausgerechnet jetzt? US-Experten sehen Bidens Schritt als Reaktion auf den Einsatz nordkoreanischer Truppen an der Front durch Russland – eine erneute Eskalation. Es ist ein Art letzter Dienst des scheidenden US-Präsidenten für die Ukraine. Möglicherweise ist der Schritt aber sogar mit Bidens Nachfolger Donald Trump abgesprochen, der eigentlich einen Friedensplan für die Ukraine durchsetzen will, sich vom Kreml dafür aber bereits eine deutliche Abfuhr geholt hat. Vielleicht ist es in Trumps Interesse, wenn Biden nun für die USA ein bisschen die Muskeln spielen lässt. Dann könnte es Trump selbst erspart bleiben.

Es ist ebenfalls denkbar, dass der deutsche Kanzler am Freitag Putin in ihrem ersten Telefonat seit zwei Jahren den US-Schritt angekündigt hat. Scholz pflegt zu Biden in Sachen Ukraine eine sehr enges Verhältnis. Was immer der genaue Inhalt des Gesprächs auch gewesen sein mag – es hat bisher keinen erkennbaren Erfolg gebracht. Keine 24 Stunden nach dem Telefonat ließ Putin die Ukraine erneut so stark mit Drohnen und Raketen beschießen, wie seit Monaten nicht mehr. Ziele waren vor allem zivile Infrastruktur wie Kraftwerke – nicht nur wegen des herannahenden Winters ein klares Kriegsverbrechen. Deutlicher kann Putin seinen Unwillen zu Verhandlungen kaum demonstrieren.

Innenpolitisch gerät Putin langsam unter Druck

Tatsächlich wird der Schritt Bidens für Putin aber innenpolitisch zum Problem. Denn er hat die Aufhebung der Reichweitenbeschränkung immer wieder als „rote Linie“ für Russland bezeichnet, deren Überschreitung „gravierende Folgen“ für die NATO haben werde. Doch auch diesmal wird Putins Bluff auffliegen. Diese „roten Linien“ inklusive Atom-Drohungen gab es schon ganz zu Kriegsbeginn, bei der Lieferung von Panzern oder Flugabwehr-Systemen durch den Westen. Passiert ist jedesmal: nichts.

Putin kann sich momentan (noch) keinen Krieg gegen die gesamte NATO leisten und auch China hat kein Interesse daran, den Konflikt eskalieren zu lassen – dort will man Geld verdienen, nicht den Westen in Schutt und Asche legen. Zudem wird „russisches“ Territorium schon längst durch weitreichende westliche Waffen beschossen: Beispielsweise der Donbas, den der Kreml bereits zu russischem Staatsgebiet erklärt hat.

Olaf Scholz verliert sein wichtigstes „Taurus“-Argument

Stark beeinflussen dürfte Bidens Entscheidung aber den deutschen Wahlkampf. Scholz hat sich bisher immer darauf berufen, dass die USA auch keine weitreichenden Waffen liefern. Dies ist nun anders, was die Diskussion um den deutschen Marschflugkörper „Taurus“ erneut befeuern dürfte. Der SPD-Politiker will – trotz zunehmender Isolation innerhalb Europas – an seinem „Nein“ festhalten, wie er wiederholt erklärt hat. Scholz setzt weiter auf die angebliche „Besonnenheit“, mit der er in Sachen Ukraine agiert.

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Theoretisch gäbe es im Bundestag momentan eine Mehrheit für die sofortige Lieferung des „Taurus“. Diese nun „einfach so“ zu liefern, wäre aber der falsche Schritt. Viel besser wäre es, wenn eine neue Regierung eine mögliche Lieferung an Bedingungen knüpft, beispielsweise an ein Ende der russischen Angriffe auf zivile Einrichtungen. Das könnte mithelfen, Putin im Lichte einer neuen US-Regierung doch noch davon zu überzeugen, an den Verhandlungstisch zu kommen. Einfach mal mit ihm telefonieren, führt ins Nichts. Putin versteht und respektiert nur Stärke.

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