Kanzler Olaf Scholz (SPD) scheint im Wahlkampf viele Hemmungen fallen zu lassen. Vor allem bei der Wortwahl.
  • Kanzler Olaf Scholz (SPD) scheint im Wahlkampf viele Hemmungen fallen zu lassen. Vor allem bei der Wortwahl.
  • Foto: picture alliance/dpa | Michael Kappeler

„Fritze Merz“ und andere bizarre Auftritte: Was ist nur in den Kanzler gefahren?

Seit der planmäßig verlorenen Vertrauensfrage zeigt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sich noch häufiger besserwisserisch, ungeduldig und schlecht gelaunt. Er merkt nicht, wie sehr er sich damit selbst schadet.

Dass Olaf Scholz in der Regel glaubt, alles besser zu wissen als die politische Konkurrenz oder gar die „Journaille“, ist nicht neu. Und damit ist er auch nicht allein. Doch seit die Ampel zerbrochen ist, lässt der SPD-Politiker erkennbar alle Zurückhaltung fahren.

Olaf Scholz hat sich etwas von Donald Trump abgeschaut

Als Scholz vor einigen Wochen seinen Finanzminister Christian Lindner (FDP) entließ, benutzte er Worte („kleinkariert und verantwortungslos“), die einige eines Kanzlers bereits als unwürdig erachteten. Und auch bei der Debatte zur Vertrauensfrage am Montag hatte Scholz erneut hart gegen seinen Ex-Minister geschossen und ihm unter anderem die „sittliche Reife“ fürs Regieren abgesprochen – nachdem er sich selbst ausgiebig gelobt hatte.

All dies kann man noch unter normalem, wenn auch hartem Wahlkampf verbuchen. Schließlich muss auch Scholz einige Kritik einstecken, die nicht immer oberhalb der Gürtellinie bleibt. Aber darf man von einem Kanzler nicht erwarten, dass er seine Wut beispielsweise über einen Ex-Minister unter Kontrolle hat? Dass Scholz ein spezielles Problem hat, zeigte sich spätestens am Montagabend im „Heute Journal“ (ZDF): Auf den Vorwurf von CDU-Chef Friedrich Merz angesprochen, wonach die angebliche Teilnahmslosigkeit des Kanzlers bei EU-Gipfeln zum „Fremdschämen“ sei, reagierte der Kanzler extrem dünnhäutig. „Fritze Merz“ erzähle eben „Tünkram“, ließ Scholz scheinbar nordisch spröde wissen. „Tünkram“ heißt auf Plattdeutsch Unsinn.

Selbst „Tünkram“ mag man noch als legitime Meinungsäußerung eines angefassten Kanzlers betrachten. Aber „Fritze“ statt „Friedrich“ ist dann doch eindeutig dazu gedacht, den politischen Konkurrenten lächerlich zu machen. Diese Technik scheint sich Scholz von Donald Trump abgeschaut zu haben, der Konkurrenten auch gerne mit Spitznamen herabsetzt. Aber so hat ein Kanzler einfach nicht zu reden! Vor allem dann nicht, wenn er selbst „Respekt“ zum Leitmotiv seiner Kanzlerschaft und der SPD erklärt hat.

„Respekt“ war das Leitmotiv von Scholz‘ Kanzlerschaft

„Respekt“ gegenüber Gleichgesinnten zu zeigen, ist keine Kunst. Sie gegenüber anderen politischen Meinungen und Konkurrenten zu zeigen, schon eher. Wobei selbst ersteres Scholz momentan schwerfällt: Bei Twitter/X macht ein Videoschnipsel die Runde, in dem Scholz im Bundestag mit Fraktionschef Rolf Mützenich steht. Im Augenwinkel sieht er, wie sich SPD-Chefin Saskia Esken den beiden nähert und gerade etwas sagen will – woraufhin sich Scholz wortlos dreht und weggeht. Esken steht achselzuckend, aber alleine da. Darauf angesprochen sagte Scholz später, sein Verhalten sei „peinlich“ gewesen. Immerhin.

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Trotzdem bleibt der Eindruck eines Mannes, der „all-in“ gegangen ist und sich nur noch phasenweise an bestimmte Normen halten will oder kann. Dass Friedrich Merz – statt Scholz‘ Tiefschlag einfach wegzulächeln und die Wähler sich ihr eigenes Urteil bilden zu lassen – auf die Anfeindungen von Scholz seinerseits dünnhäutig reagiert („Ich verbitte mir Fritze und Tünkram“), lässt nichts Gutes für das Niveau des Wahlkampfs ahnen. Und als Kanzler würden Merz und Scholz auf internationaler Bühne künftig noch ganz andere Anfeindungen aushalten müssen.

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