Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) steht vor den entscheidenden Wochen seiner Kanzlerschaft.
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Herr Bundeskanzler, bitte, bitte machen Sie den Biden

„Sehr geehrter …“ – neee, ich verehre ihn nun wirklich nicht. „Lieber Herr …“ – lieb finde ich ihn auch nicht. Also würde ich vielleicht schreiben: „Guten Tag, Herr Bundeskanzler Olaf Scholz“, wenn es die Chance gäbe, dass er meinen Brief überhaupt liest. Und dann würde ich weiterschreiben: „Wie weit soll es noch bergab gehen, bis Sie einsehen, dass auch Sie es sind, der die altehrwürdige SPD in den Abgrund führt. Nicht Sie allein, aber Ihr Anteil am Niedergang ist gewaltig.

Die Wahlen von Sachsen und Thüringen sind doch ein schreckliches Menetekel. Wollen Sie sich etwa von dem Geschwätz des SPD-Generalsekretärs Kühnert einlullen lassen, der es in der Wahlnacht fast schon großartig fand, dass die älteste deutsche Partei gerade noch die fünf-Prozent-Hürde übersprungen hatte? Immer wieder hört man aus Ihrer Umgebung, dass Sie sich selbst nach wie vor für den Klügsten halten und einen Sieg in der nächsten Bundestagswahl zutrauen.

Kommentar: Herr Bundeskanzler, bitte machen Sie den Biden

Haben sich also die Meinungsforscher der verschiedensten Institute ihre Dauerbefunde nur ausgedacht, dass Sie, Herr Scholz, der unbeliebteste Kanzler seit Bestehen der Bundesrepublik sind? Es mag ja sein, dass Ihre Zuträger eine beachtliche Leistungsbilanz Ihrer bisherigen Regierungszeit zusammenschreiben können. Nur was nützt das, wenn die Wählerinnen und Wähler es einfach nicht sehen wollen. Wenn Sie, der Herr Kühnert und die Frau Esken den Kanzler Scholz für den Größten halten, ist das eben nicht genug.

Sie sind mal mit dem Spruch angetreten, wer bei Ihnen Führung bestelle, werde Führung bekommen. Das hatten Sie noch als Hamburger Bürgermeister rausposaunt. (Sie erinnern sich, das war die Zeit, in der Sie den Elbtower des Finanz-Hasardeurs Benko gegen die Bedenken vieler Fachleute durchdrückten). Und den Spruch mit der Führung, nahmen Sie mit ins Berliner Kanzleramt.

Die Menschen haben Angst vor der Zukunft

Herr Scholz, ich habe von dieser Führung in dem Dauerzoff der Ampel wenig bis nichts gemerkt. Und offenkundig geht und ging es vielen tausend anderen Bürgern genauso. Naja, vielleicht doch hin und wieder Führung, als Sie in Einzelfragen die Grünen düpierten und der FDP nachgaben. Auch das ein politisches Fehl-Investment. Die von Ihnen lange Zeit so sorgsam gepflegte FDP ist jedenfalls in Sachsen und Thüringen auf ein Prozent geschrumpft.

Der Autor: Christoph Lütgert war Rundfunk-Korrespondent beim NDR, Erster Reporter beim ARD-Politik-Magazin „Panorama“ und 17 Jahre lang Chefreporter Fernsehen beim NDR. Er schreibt regelmäßig als Gastkommentator für die MOPO. privat/hfr
Lütgert
Der Autor: Christoph Lütgert war Rundfunk-Korrespondent beim NDR, Erster Reporter beim ARD-Politik-Magazin „Panorama“ und 17 Jahre lang Chefreporter Fernsehen beim NDR. Er schreibt regelmäßig als Gastkommentator für die MOPO.

Kommunikation, Herr Bundeskanzler, war nie Ihre Stärke. Deshalb nannte man Sie, als Sie vor langer, langer Zeit SPD-Generalsekretär waren, „Scholzomat“. Diesen Mangel, so hatte es den Eindruck, wollten Sie dann zu einem Markenzeichen machen. Sie grinsten sich einen, wenn Sie in der Öffentlichkeit die Antwort auf Fragen verweigerten, etwa indem sie es bei einem flapsigen „Nööö“ beließen. Aber die Zeiten, Herr Scholz, werden immer komplizierter. Die Menschen haben immer mehr Angst vor der Zukunft. Da brauchen die Bürger auch in der Demokratie einen, der die Mühsal der Erklärungsversuche auf sich nimmt. Ihr Minister Habeck hat es manchmal vorgemacht.

Pistorius redet erfrischend Klartext

In den USA hat Präsident Joe Biden gezeigt, was Sie, Herr Bundeskanzler jetzt auch machen sollten. Biden war ebenfalls bis zum Schluss davon überzeugt, dass er ein großartiger Präsident war und ist. Aber mit seiner Partei ging es immer weiter bergab, bis Kamala Harris übernehmen durfte. In der SPD gibt es mit Boris Pistorius einen, mit dem es die Partei wenigstens mal versuchen könnte. Schließlich ist er laut Umfragen nach wie vor der beliebteste Politiker in Deutschland. Denn er redet erfrischend Klartext, tritt wohltuend hemdsärmlig auf und nicht ewig besserwisserisch.

Also, Herr Bundeskanzler, machen Sie bitte, bitte den Biden.

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