Israel-Kritik: Gerne, aber bitte nicht so pauschal!
Viele Menschen glauben, man darf Israel nicht kritisieren. Vor allem nicht in Deutschland. Das ist falsch. Allerdings ist es nicht ganz einfach, die Grenze zwischen berechtigter Kritik an Regierungshandeln und plattem Antisemitismus zu erkennen. Die Hamburger Bundestagsabgeordnete Aydan Özoguz (SPD) hat nun eindringlich gezeigt, wie man es besser nicht macht.
Özoguz hatte einen Post der israelkritischen Organisation „Jewish Voice for Peace“ bei Twitter/X weiterverbreitet. Auf dem Foto war ein Flammeninferno zu sehen. Dabei stand der Satz: „This is Zionism“ (Das ist Zionismus). Der Zionismus entstand im 19. Jahrhundert als jüdische Antwort auf die sich immer wiederholenden Pogrome an Juden in Europa und hat zum Ziel, alle Juden im Gebiet des biblischen Palästina zu vereinen.
Nicht polarisieren, sondern differenzieren
Für Özoguz hagelte es nach dem Post Kritik. Die CDU fordert sogar den Rücktritt der Bundestags-Vizepräsidentin, die schon in der Vergangenheit mit umstrittenen Äußerungen auf sich aufmerksam gemacht hatte. Inzwischen hat die Hamburgerin den Tweet gelöscht und sich entschuldigt (auch wenn vielen die Entschuldigung nicht weit genug geht).
Aber was genau ist so problematisch an dem Özoguz-Tweet? „Die Verteufelung des Zionismus ist ein Brandbeschleuniger des Antisemitismus“, sagt die FDP-Politikerin Linda Teuteberg. „In diesem schwierigen Konflikt muss es darum gehen, nicht zu polarisieren, sondern differenziert auf die Lage zu blicken“, sagt Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) in Richtung ihrer Stellvertreterin. Dies dürfe „in besonderer Weise von Mitgliedern des Präsidiums des Deutschen Bundestages“ erwartet werden.
Ist etwas antisemitisch? Die 3-D-Regel hilft weiter
Um grob zwischen berechtigter Kritik und bloßem Antisemitismus zu unterscheiden, hat der israelische Politiker Natan Scharanski die so genannte 3-D-Regel entwickelt: Die drei „Ds“ stehen für „Doppelstandards“, „Dämonisierung“ und „Delegitimierung“. Wenn Israelkritik eines dieser drei Merkmale enthält, gilt es nach dieser Regel als antisemitisch.
Der Tweet von Özoguz hat mindestens eines dieser Merkmale erfüllt. Die Dämonisierung besteht darin, dass der Tweet den Eindruck erweckt, Zionismus sei per se blutrünstig und gewalttätig. Dabei ist die Idee des Zionismus erst einmal friedlich. Und der Staat Israel wurde auch nicht als „kolonialistisches Projekt“ gegründet, wie heute viele Linke meinen, sondern war eine Reaktion auf den Holocaust. Die Juden haben sich ihren Staat nicht mit Gewalt genommen, sondern er wurde ihnen von weiten Teilen der Weltgemeinschaft zugestanden. Die arabische Welt hat danach mehrfach versucht, Israel gewaltsam auszulöschen. Dass Israel momentan hart militärisch zuschlägt, weil es am 7. Oktober barbarisch angegriffen wurde und weiter um seine Existenz kämpft, verschweigt der Özoguz-Tweet vollkommen. Das geht in Richtung der Delegitimierung des Staates Israel als solches.
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Doppelstandards sind Özoguz in diesem Fall nicht vorzuwerfen. Diese sind aber wöchentlich u.a. auf deutschen Straßen zu beobachten: Wenn Israel im Gaza-Streifen Muslime tötet und eigentlich nur auf Terroristen abzielt, ist die Aufregung groß und in Europa sind Zehntausende auf den Straßen. In der arabischen Welt Hunderttausende oder sogar Millionen. Wenn Muslime aber durch das syrische Regime zu Tausenden vergast, von der Militär-Junta in Myanmar vertrieben oder von China zu Millionen in Umerziehungslager gesteckt werden, zuckt bei den allermeisten „Pro-Palästinensern“ nicht mal die Wimper. „No Jews, no News“, sagen die Amerikaner dazu.
Özoguz hat sich dem Populismus hingegeben
Gerade in Zeiten, in denen der Populismus und Fake News große Erfolge feiern, ist jeder mündige Mensch dazu angehalten, sich um Differenzierung wenigstens zu bemühen – selbst wenn das bei komplizierten Verhältnissen wie in Israel manchmal misslingt. Özoguz hat sich diese Mühe nicht gemacht, sondern sich dem (in der SPD oft und zu Recht beklagten) Populismus hingegeben. Ihrer Vorbild-Funktion ist sie damit sicher nicht gerecht geworden.