Die demokratischen Parteien erklären sich teilweise zu Hauptgegnern – ein schwerer Fehler!

Die demokratischen Parteien erklären sich teilweise zu Hauptgegnern – ein schwerer Fehler! Foto: picture alliance / CHROMORANGE | Michael Bihlmayer

Mögliche Koalitionen: Eure Ausschließeritis öffnet wirklich „das Tor zur Hölle“!

Es sind politisch aufwühlende Zeiten in Deutschland. Natürlich wird in jedem Bundestagswahlkampf mit harten Bandagen gekämpft. Doch inzwischen hat sich eine Unsitte in alle demokratischen Parteien eingeschlichen, die einem Sorgen bereiten muss: das grundsätzliche Ausschließen von Koalitionen mit anderen demokratischen Parteien.

Als die Union vorige Woche im Bundestag eine Mehrheit mit der AfD in Kauf nahm, erklärte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich etwas pathetisch, CDU/CSU hätten damit das „Tor zur Hölle“ geöffnet. Er meinte damit, dass die Demokratie untergehe, sollte die in Teilen rechtsextreme AfD in Berlin in irgendwie geartete Verantwortung kommen.

Dabei kommen auch aus Mützenichs Partei Töne, die die Demokratie mindestens ebenso beschädigen, wie es eine Machtbeteiligung der AfD täte: „Ich bekomme einen Würgreiz, wenn ich an eine Koalition mit der CDU denke“, erklärte beispielsweise die SPD-Hinterbänklerin Leni Breymaier. Ihre Genossen Jan Dieren und Erik von Malottki  wollen von einer Zusammenarbeit mit der Union im Prinzip auch nichts mehr wissen.

Die Ausschließeritis greift in allen Parteien um sich

Doch diese Form der Brandmauerritis haben die Sozialdemokraten keineswegs exklusiv. Auch bei den Grünen gibt es einige, die mit der Merz-CDU nichts mehr zu tun haben wollen. Der prominenteste Vertreter: Toni Hofreiter, der seine Partei davor warnt, Merz nach dem 23. Februar zum Kanzler zu wählen. Und auch FDP-Chef Christian Lindner will auf dem kommenden Parteitag der Liberalen einen Beschluss herbeiführen, der eine Koalition unter Beteiligung der Grünen für die FDP ausschließt. CSU-Chef Markus Söder zieht sowieso schon seit Monaten mit der Botschaft durchs Land, die Grünen seien die Ausgeburt der Hölle, weshalb er niemals einem Bündnis mit ihnen zustimmen würde.

Man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen: Das Land ist mit einer wachsenden rechtsextremen Partei konfrontiert, die u.a. von der Verachtung demokratischer Prozesse lebt und droht, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu zerrütten. Und gleichzeitig haben wir Dünnbrettbohrer in allen Parteien, die plötzlich die demokratischen Mitbewerber zu Hauptfeinden erklären.

Großer Schaden durch taktische Spielchen

Nun mag man denken: alles taktische Spielchen. Im Zweifelsfall lässt man sich sein „Nein“ zu einer anderen Partei in einer Koalition durch das ein oder andere Ministerpöstchen zusätzlich abkaufen. Und dieses Kalkül dürfte den ein oder anderen auch tatsächlich motivieren. Doch der Preis dafür ist zu hoch: Wenn sich Demokraten untereinander verächtlich machen, profitieren an der Wahlurne nur die politischen Ränder. Und natürlich macht diese Ausschließeritis Koalitionsverhandlungen extrem kompliziert, bei zu vielen gekränkten Egos vielleicht sogar unmöglich. Wer will denn gerne als „Umfaller“ in eine Koalition starten?

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Konsequent zu Ende gedacht, würde eine Koalitions-Verweigerung von SPD und Grünen bei den jetzigen Umfragen dazu führen, dass die Union (zusammen mit der FDP oder ohne sie) eine Minderheitsregierung bilden wird. Und sich Merz womöglich mit den Stimmen der AfD in einer geheimen Abstimmung zum Kanzler wählen lässt (auch wenn er seine Getreuen die Botschaft verbreiten lässt, die Union werde keine Minderheitsregierung bilden). Das würde die AfD dann wirklich in eine Machtposition bringen, die sie besser nicht bekommen sollte. Das wäre dann wirklich ein Öffnen des „Tores zur Hölle“, Herr Mützenich.

Alle müssen von der Palme runterklettern

Deshalb: Alle sind gut beraten, wieder von den Palmen herunterzuklettern und sich darauf zu konzentrieren, die Extremisten klein zu halten. Das gelingt nicht, wenn man die demokratische Mitte wahlweise als „Nazi-Freunde“ oder „links-grün-versifft“ niedermacht.

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