Neue US-Hilfe für Kiew: Das Taurus-Problem holt Scholz ein
Nun ist es offiziell: In der Nacht zu Mittwoch hat auch der US-Senat dem neuen 61-Milliarden-Dollar–Hilfspaket für die Ukraine zugestimmt. Das sollte ein Signal für Europa sein, nun seinerseits bei der Unterstützung der Ukraine nachzulegen. Das wäre jedenfalls bitter nötig.
Etwas hat der Ruf der USA als westliche Führungsmacht gelitten. Doch nun hat der Kongress doch noch die Kurve gekriegt: Das neue Hilfspaket kommt für die Ukraine keine Minute zu früh. Denn an der Front scheint die russische Armee (unter hohen eigenen Verlusten) zuletzt einige Fortschritte gemacht zu haben – nach unbestätigten Berichten auch durch den Einsatz von Giftgas.
Erstmals US-Systeme mit sehr hoher Reichweite
Das US-Paket umfasst erstmals auch eine größere Anzahl von Raketensystemen mit einer Reichweite von 300 Kilometern (ATACMS der Baureihen M39A1, M48 und M57), wie am Mittwoch bekannt wurde. Das hat eine völlig neue Qualität. Denn bisher hatten nur Großbritannien und Frankreich ähnliche Systeme (Storm Shadow und Scalp) in sehr geringer Stückzahl geliefert.
Das setzt auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) unter Druck. Denn eines der Argumente, mit denen er seine Weigerung zur Lieferung von deutschen Taurus-Marschflugkörpern begründet hat, war, dass auch die USA keine vergleichbaren Systeme liefern. Das andere Argument, eine Taurus-Lieferung könne nicht ohne Beteiligung deutscher Soldaten erfolgen, ist inzwischen von mehreren Seiten widerlegt. Zuletzt widersprach der Airbus-Defence-Chef öffentlich der Einschätzung des Kanzlers.
Die Taurus-Forderung könnte jetzt aus den USA kommen
Und natürlich hat die Diskussion um den Taurus bereits wieder eingesetzt. Die „üblichen Verdächtigen“ wie Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) oder Roderich Kiesewetter (CDU) machen sich dafür bereits wieder stark. Diese Gruppe kann Scholz vielleicht noch ignorieren. Aber was tut der Kanzler, wenn ihn nun beispielsweise US-Präsident Joe Biden auffordert, den Taurus zu liefern – im Gegenzug für Patriot-Flugabwehrsysteme, die Scholz wiederum von den USA für Kiew fordert?
Auch dann kann Scholz eine Lieferung natürlich weiterhin ablehnen. Fahrlässig wäre es aber, die nun gewonnene Zeit nicht zu nutzen: Das US-Paket hilft der Ukraine nach Einschätzung von Experten auf dem Schlachtfeld etwa ein Jahr lang. Diese Zeit muss insbesondere die Bundesregierung nutzen, um bestimmte Waffensysteme und Munition bei der Industrie nachzubestellen, um sie dann notfalls in die Ukraine schicken zu können.
Das könnte Sie auch interessieren: Tschentscher-Besuch in Kiew: Klitschko dankt Hamburgern – „sind nicht allein“
Das wäre auch ein wichtiges Signal an Putin, der erkennen müsste, dass dem Westen die Puste bei der Unterstützung der Ukraine doch nicht so schnell ausgeht. Das könnte den Kräften in Russland Auftrieb geben, die den Krieg gegen die Ukraine lieber heute als morgen beenden würden.