Olaf Scholz (l.) wird Kanzlerkandidat der SPD. Boris Pistorius hatte zuvor zurück gezogen.
  • Olaf Scholz (l.) wird Kanzlerkandidat der SPD. Boris Pistorius hatte zuvor zurück gezogen.
  • Foto: picture alliance/dpa | Michael Kappeler

Zäh, aber unbeliebt: Der riskante „Friedenskanzler“-Plan von Olaf Scholz

Die SPD hat Amtsinhaber Olaf Scholz heute offiziell als ihren Kanzlerkandidaten ausgerufen – nach gut zweiwöchigem Chaos in der Partei. Wohl noch nie gab es bei den Genossen einen Kanzlerkandidaten, der aus einer so schwachen Position gestartet ist. Viele Probleme werden Scholz im Wahlkampf wie der berühmte Mühlstein am Hals hängen. Eine gewisse Zähigkeit kann man dem Kanzler aber nicht absprechen. Und er hat wohl einen Plan.

Die eigene Basis ist nicht begeistert. „Shitshow“, „Egotrip alter weißer Männer“, „fehlende Professionalität“, „Vertrauensverlust“ – das waren Wortbeiträge des SPD-Nachwuchs auf dem Juso-Bundeskongress vom Wochenende. Nicht nur diese Worte lassen Zweifel aufkommen, ob die SPD in den kommenden Wochen die nötige Geschlossenheit aufbringen wird, im Wahlkampf den Rückstand in den Umfragen aufzuholen.

Mehrheit hätte sich Boris Pistorius gewünscht

Laut Umfragen hätten sich 80 Prozent der SPD-Anhänger Verteidigungsminister Boris Pistorius als Kandidaten ihrer Partei gewünscht, seines Zeichens beliebtester Politiker des Landes und Verfechter robuster Abschreckung gegenüber Russland. Pistorius verfügt allerdings über keinerlei „Hausmacht“ in der SPD. Im Gegenteil: bei „Friedenstauben“ wie SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich ist er für seine Russland-kritische Haltung verhasst. Das dürfte einer der Gründe für seinen Verzicht gewesen sein.

Und so soll die Hauptrolle im Wahlkampf der Sozialdemokraten dem amtierenden Kanzler gehören. Olaf Scholz ist in Umfragen allerdings unbeliebter als sein Herausforderer, CDU-Chef Friedrich Merz. Das ist ein äußerst seltenes Phänomen. Der sonst übliche „Kanzlerbonus“ scheint bei Scholz eher ein „Kanzlermalus“ zu sein. Wirklich überraschend ist das nicht. Scholz wird von den meisten Bürgern für das durchwachsene Regieren und das Scheitern der Ampel-Koalition verantwortlich gemacht – ganz egal, welche Rolle die FDP dabei spielte.

Eine Dämonisierung von Friedrich Merz hat ihre Tücken

Es zeichnet sich bereits ab, mit welchen Strategien Scholz versuchen will, eine zweite Chance vom Wähler zu erhalten. Dies soll zum einen durch die Dämonisierung seines Konkurrenten Friedrich Merz gelingen. Dieser gilt vielen in der politischen Linken in Deutschland als neoliberale Heuschrecke, die den Sozialstaat zerstückeln will. Ohne Frage ist Merz konservativer und etwas staatsskeptischer als Scholz oder Robert Habeck (Grüne). Allerdings hat er sich seit den 90er Jahren doch weiterentwickelt. Ein Zerrbild zu bekämpfen hat für die SPD ihre Tücken.

Der Versuch, bei AfD und BSW-Anhängern zu punkten

Zum anderen versucht sich Scholz als „Friedenskanzler“ zu positionieren. Also als derjenige, der Deutschland aus einem angeblich drohenden dritten Weltkrieg heraushält. Wohl, um bei AfD- und BSW-Anhängern zu punkten, hat er kürzlich bei Wladimir Putin angerufen, auch wenn klar erkennbar war, dass dies zumindest kurzfristig nichts bewegen wird. Putin sieht sich auf Augenhöhe mit dem US-Präsidenten. Er hält den deutschen Kanzler – egal wer es ist – nur für einen US-Vasallen.

Trotzdem scheint Scholz voll auf die Karte „Friedenskanzler“ setzen zu wollen. Doch auch das birgt Risiken. Denn Scholz hat zwar nicht – wie es eine Mehrheit im Bundestag fordert – den Marschflugkörper „Taurus“ an die Ukraine geliefert. Aber er hat die Ukraine doch mit reichlich Militär-Material unterstützt. Scholz ist kein naiver Pazifist. Das wäre als Regierungschef auch völlig unangebracht.

Der Trick mit der angeblichen Rentenkürzung

Um diesen Widerspruch – einerseits „Friedenskanzler“, andererseits entschlossener Unterstützer der Ukraine – aufzulösen, versucht er den Fokus auf andere Bereiche zu lenken. So behauptet Scholz beispielsweise, er sei der einzige, der eine weitere Unterstützung der Ukraine sicher stellen würde, ohne bei den Renten zu kürzen. Einerseits Garant der äußeren Sicherheit, andererseits Bewahrer des sozialen Friedens im Inneren. Im Prinzip ist das keine schlechte Strategie. Gewürzt wird das Ganze mit einer Prise Donald Trump: Dass Scholz persönlich von einer drohenden Kürzung der Renten sprach, erinnert doch stark an den kommenden US-Präsidenten, einem notorischen Lügner. Scholz weiß natürlich ganz genau, dass es gesetzlich gar nicht möglich ist, die Renten zu kürzen.

Das könnte Sie auch interessieren: Merkels erster Gedanke zum Ampel-Streit: „Männer!“

Es mit der Wirklichkeit nicht so genau zu nehmen, wenn es politisch in den Kram passt, war in Deutschland bisher bei den Parteien der Mitte eher der Ausnahmefall. In diesem Wahlkampf könnte sich das nun grundlegend ändern. Nicht nur bei der SPD.

Email
Share on facebook
Share on twitter
Share on whatsapp