CDU-Chef Friedrich Merz auf einem Wahlplakat mit angedeutetem Hitlerbärtchen. Vergleichbares nutzt am Ende nur Extremisten.

CDU-Chef Friedrich Merz auf einem Wahlplakat mit angedeutetem Hitlerbärtchen. Vergleichbares nutzt am Ende nur Extremisten. Foto: picture alliance / CHROMORANGE | Michael Bihlmayer

Wahlkampf extrem: Warum Demokraten pfleglicher miteinander umgehen sollten

Im Wahlkampf geht es hart zur Sache. Und solange es sich um Inhalte dreht, ist das auch völlig in Ordnung. Doch in den vergangenen Wochen war sowohl im Bundestag als auch im Straßenwahlkampf eine neue Unversöhnlichkeit unter Demokraten zu beobachten, die dem Land auf Dauer nicht guttun.

Man merkt es kaum: Aber CDU/CSU, SPD, Grüne, FDP und Linke hatten im Dezember ein „Fairness-Abkommen“ abgeschlossen. Man wolle auf persönliche Herabsetzungen verzichten und sich extremistischen Äußerungen entgegenstellen, versicherten sich die Parteien gegenseitig. Davon ist in der Wirklichkeit nicht besonders viel zu sehen.

Persönliche Herabwürdigungen hat es viele gegeben, mitunter von durchaus prominenten Absendern: Da nennt Kanzler Olaf Scholz(SPD) seinen CDU-Herausforderer mal eben „Fritze Merz“ oder spricht seinem ehemaligen FDP-Finanzminister die „sittliche Reife ab“. Da bezichtigen sich Annalena Baerbock (Grüne) und Thorsten Frei, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU, im Bundestag gegenseitig öffentlich der Lüge. Baerbock garniert ihre Aussagen noch mit dem Satz, das sei man von Männern ja gewöhnt, wenn sie in die Defensive gerieten.

Auch früher ging es durchaus mal ruppig zu

Derlei persönliche Attacken war man zuletzt vor allem von der AfD gewohnt, die im Bundestag den Rekord für beleidigende Zwischenrufe hält. Wahr ist allerdings auch, dass es auch früher schon auf persönlicher Ebene hart zur Sache ging. Auch Herbert Wehner und Franz Josef Strauß oder Helmut Kohl und Helmut Schmidt haben sich nichts geschenkt.

Der Unterschied heute ist, dass diese Art der Polarisierung – zusätzlich angeheizt durch „Hetz-Unternehmer“ in den sozialen Medien – sich negativ auf zukünftige Politik auswirkt und auch im Straßenwahlkampf zur echten Gefahr wird. Nachdem Friedrich Merz versuchte, einen Antrag zur Migration auch mit den Stimmen der AfD durch den Bundestag zu bringen, hat sich einiges geändert. Dieser politische Erpressungsversuch war ganz sicher nicht klug.

Die „Ausschließeritis“ greift momentan um sich

Er hat nämlich u.a. dazu geführt, dass die „Ausschließeritis“ wieder um sich greift. Es fanden sich sofort nicht nur Hinterbänkler von SPD und Grünen, die erklärten, man könne mit Merz nicht mehr koalieren oder ihn zum Kanzler wählen. Diese Haltung hat die politische Linke aber keinesfalls exklusiv. CSU-Chef Markus Söder läuft seit Monaten durchs Land und erklärt, er werde auf keinen Fall mit den Grünen regieren. Und auch FDP-Chef Christian Lindner will ein wie auch immer geartetes Bündnis mit den Grünen auf dem Parteitag per Beschluss ausschließen.

Man muss es sich noch einmal vor Augen führen: Mit der AfD wächst eine Partei in Deutschland heran, die demokratische Prozesse verachtet und die die freiheitlich-demokratische Grundordnung bedroht. Und die Demokraten der Mitte machen sich genau in dieser Situation gegenseitig verächtlich und schließen Bündnisse miteinander aus. Das führt das Land in Richtung Unregierbarkeit. Und das macht es der AfD besonders leicht, sich als vermeintlicher Retter aufzuspielen.

Polarisierung schlägt sich im Straßenwahlkampf nieder

Leider schlägt sich diese zunehmende Polarisierung auch auf deutschen Straßen nieder. Momentan ist vor allem die Merz-CDU betroffen. In der Vergangenheit – beispielsweise bei den Bauernprotesten – waren es auch die Grünen. Es gibt Berichte von Morddrohungen, Tritten, Angriffen mit Pyro-Technik. Farbanschläge und Büro-Besetzungen sind fast schon an der Tagesordnung. Emotionen sind gut, aber Gewalt auszuüben, um eine Atmosphäre der Angst zu schüren, verbietet sich auch trotz aller Emotionalität für Demokraten. Das gilt übrigens auch für körperliche Angriffe auf AfD-Politiker. Immerhin gibt es sogar Grünen-Politiker wie Cem Özdemir, die diese Vorgehensweise gegen die CDU scharf verurteilen.

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Statt also in Pauschal-Urteile wie „Nazi-Freund“ oder „linksgrünversifft“ zu verfallen, ist jeder Einzelne dazu aufgerufen, einmal in die Graubereiche zu schauen und sich zu fragen, ob die politische Gegenseite nicht doch an dem ein oder anderen Punkt recht haben könnte. Das ist und bleibt eine Voraussetzung für künftige Kompromisse – und damit für Demokratie und Freiheit.

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