Bundestag (Symbolbild)
  • Der Bundestag (Archivbild).
  • Foto: picture alliance/dpa | Michael Kappeler

Wahlrechtsreform: Die Frösche legen den Teich trocken

Die Ampel sieht sich bestätigt, die Opposition spricht von einer „Klatsche“: Das Bundesverfassungsgericht hat das neue Wahlrecht der Ampel mit kleineren Einschränkungen durchgewunken. Damit dürfte das übergeordnete Ziel – eine Verkleinerung des Bundestags – erreicht werden. Das ist ein Erfolg! Allerdings hätte es bessere Lösungen gegeben, als die die nun auf die Gesellschaft zukommt.

Künftig kann ein mit der Erststimme gewählter Direktkandidat in einem Wahlkreis nicht mehr sicher sein, ob er tatsächlich in den Bundestag einzieht. Dies ist nur der Fall, wenn seine Partei auch eine entsprechend große Anzahl an Zweitstimmen erhält. Damit sollen die bisher gewährten Ausgleichs- und Überhangsmandate wegfallen, die maßgeblich zum „Bläh-Bundestag“ beigetragen haben. Die Richter in Karlsruhe haben dagegen keinen juristischen Einspruch.

Die Distanz zur „großen Politik“ könnte wachsen

Allerdings ist dieser Punkt demokratietheoretisch problematisch. Denn der direkte Kontakt der meisten Bürger zur „großen Politik“ in Berlin fand zumindest bisher über ihren Wahlkreisvertreter statt, der die Probleme vor Ort auch am besten kennt. Wenn dieser „direkte Draht“ für viele Menschen künftig wegfällt, schafft das eine Distanz, die nicht wünschenswert ist. Statt die Erststimme also ein Stück weit zu entwerten, hätte sich die Politik auch darauf einigen können, einfach die Wahlkreise zu vergrößern.

Ebenfalls problematisch: Die Ampel hat die Wahlrechtsreform alleine durchgezogen, nicht im Konsens. Ja, vor allem die CSU, die vom bisherigen System überproportional profitiert hat, hat sich jahrzehntelange jeder Reformbemühung verweigert. Allerdings gibt es nach diesem Tabu-Bruch für künftige Regierungen kaum mehr Gründe, das Wahlrecht nicht mit der eigenen Mehrheit nach eigenem Gusto erneut zu verändern.

Wahlrechtsreform: Grundmandatsklausel bleibt bestehen

Die eigentlich geplante Streichung der so genannten Grundmandatsklausel hat das Bundesverfassungsgericht wieder einkassiert. Diese ermöglicht es Parteien, die mindestens drei Direktmandate gewinnen, in den Bundestag einzuziehen – selbst wenn sie eigentlich unter der Fünf-Prozent-Hürde liegen. In der Vergangenheit hat davon die Linkspartei profitiert, in Zukunft könnten es die Freien Wähler sein. Kurios: Die Opposition hat der Ampel diese Niederlage im Bundestag prophezeit – die Regierungsfraktionen haben die Warnungen ignoriert. Das schmälert den Erfolg aus Ampel-Sicht etwas.

Ein bekannter Spruch über Veränderungen lautet: „Wer den Teich trocken legen will, darf nicht die Frösche fragen.“ In diesem Fall haben die Frösche selbst ihren Teich wenn nicht trocken gelegt, so doch zumindest deutlich verkleinert. Das bleibt trotz allem eine Leistung, die nicht selbstverständlich ist.

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