Nach Gesetzesverschärfung: 15 Tochterfirmen gegründet: Trickst Tönnies das System aus?
Rheda-Wiedenbrück –
Ausgebeutete Arbeiter, schwierige Hygiene-Zustände, leidende Tiere: Der Corona-Ausbruch bei Tönnies hat ein Schlaglicht auf die desolaten Zustände in der Fleischindustrie geworfen. Erst vor wenigen Tagen hat die Politik deshalb das Aus für Werkverträge beschlossen – so sollen bessere Arbeitsbedingungen entstehen. Tönnies hat jetzt reagiert – und kurzerhand 15 Tochterfirmen unter dem Namen Tönnies-Production GmbH gegründet. Dort sollen 1000 Werkarbeiter angestellt werden. Die Befürchtung: Die Ausbeutung der Arbeiter soll dadurch nur verlagert werden.
Anstatt unter häufig miserablen Bedingungen für Subunternehmen zu arbeiten, sollen alle Arbeiter in der Schlachtung, Zerlegung und Verpackung bis Ende des Jahres mit einem direkten Arbeitsvertrag angestellt werden – allerdings nicht bei Tönnies selbst.
Stattdessen hat der Großschlachter gleich 15 Tochterfirmen gegründet und beim Amtsgericht Gütersloh eintragen lassen. Die Firmen sind durchnummeriert: „Tönnies Production I“ bis „Tönnies Production XV“.
Als Geschäftsführer stehen der Personaler Sven Geier und Tönnies-Justiziar Martin Bocklage in den Dokumenten. 1000 Mitarbeiter sollen bei den Firmen angestellt werden.
Will Tönnies die neuen Regeln umgehen?
Will das Unternehmen so etwa bei Bezahlung und Arbeitnehmerrechten tricksen? „Wir haben die Töchter gegründet, um die Mitarbeiter bei 100-prozentigen Tochterunternehmen einzustellen”, teilte ein Tönnies-Sprecher auf Anfrage des „Handelsblatts“ mit.
Da die Gruppe aus verschiedenen Gesellschaften mit unterschiedlichen Geschäftsbereichen bestehe, seien mehrere Neugründungen nötig. Wie viele der bisherigen Werkvertragsarbeitnehmer unbefristet oder befristet angestellt werden, könne man aber noch nicht sagen.
Gewerkschaften und Politik alarmiert wegen angeblicher Tönnies-Tricksereien
Die Gewerkschaft NGG befürchtet dennoch, dass das Unternehmen das bisherige System der schlechtbezahlten, rechtelosen und ausgebeuteten Mitarbeiter unter einem anderen Namen weiterführt. „Es ist ein seltsamer Zufall, dass gerade jetzt die Tochtergesellschaften aus dem Boden sprießen“, sagte NGG-Sprecher Jonas Bohl.
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Auch Inge Bultschnieder, die Gründerin der Interessengemeinschaft „WerkFAIRträge“ warf Tönnies im „Haller Kreisblatt“ vor, nach Umwegen zu suchen. Besonders die Gründung von Betriebsräten werde durch die einzelnen Tochterfirmen erschwert – was die Rechte der Arbeitnehmer extrem schwäche.
Auch die Politik ist alarmiert: „Wir sind es gewohnt, dass die deutsche Fleischindustrie, sobald eine Gesetzesverschärfung ansteht, anfängt, Schlupflöcher zu suchen“, sagte SPD-Fraktionsvize Katja Mast dem „Handelsblatt“. Man wolle alles tun, um das zu unterbinden.